Erster Test: Maxus T90 EV

Ein Maultier mit Akku

Wer baut einen Pickup mit Elektroantrieb? Tesla präsentiert einen Prototypen und dann passiert jahrelang nichts. Die Europäer wälzen eifrig Pläne, verschieben sie aber laufend. Nur der chinesische Nutzfahrzeug-Spezialist Maxus macht es einfach und löst mit dem T90 EV die Premierenkarte für den vollwertigen E-Muli. Was er on- und offroad kann, zeigt der Test.

17.07.2023Autor: Stefan PabeschitzFotos: Werk

Ist der T90 ein vollwertiger Pickup?
Nicht, dass es irgendwo festgeschrieben wäre – aber ein bestimmtes Bauelement gilt dafür weitläufig als Kriterium: Der Leiterrahmen, als grundsätzliche Unterscheidung zur selbsttragenden Karosserie, die so gut wie alle herkömmlichen Pkw haben. Er sorgt für mehr Steifigkeit, hohe Traglasten und die klassische Robustheit, die Pickups und echte, knorrige Geländewagen brauchen. Und wenn schon nicht im Alltag, dann zumindest in den Köpfen ihrer Besitzer. Der T90 hat so einen klassischen Leiterrahmen, er trägt wie üblich den Antriebsstrang, das Fahrwerk, oben drauf die Karosserie mit Doppelkabine und Ladefläche. Und in diesem Fall erstmals auch eine Batterie.

2WD oder 4WD?
Der Maxus T90 ist ausschließlich mit Hinterradantrieb verfügbar und kommt damit mehr als nur gut zurecht – aber dazu später. Einen 4WD-Pickup reicht Maxus im kommenden Jahr nach, er wird aus unerfindlichen Gründen GTC heißen, ebenfalls batterieelektrisch sein und mit einem vollwertigen 4WD bestückt sein. Es handelt sich allerdings um ein eigenständiges Modell, dass mit gut 5,5 Meter auch noch einmal um gut zwei Handbreit länger ist als der T90.

Was ist drin und dran?
Der T90 bietet ein simples, aber robustes Interieur, umfangreiche Ausstattung und solide Talente. Das Äußere entspricht mit seinem massiven Look der für Pickups üblichen Macho-Optik, zum Serienumfang gehören auch seitliche Trittbretter und Chrom-Überrollbügel, dazu elektrisch verstellbare Vordersitze, E-Fensterheber vorne und hinten, Kunstleder-Bezüge, sowie der 10,25 Zoll-Touchscreen. Außerdem immer an Bord: Bergan- und Bergab-Fahrhilfe, 360-Kamera, Einparkhilfe hinten und eine 220 Volt Steckdose für externe Verbraucher. Nicht angeboten wird ein Navigationssystem, allerdings ist die Spiegelung der Smartphone-Oberfläche und damit die Nutzung von Google Maps im Fahrzeug vorbereitet. Ein kleiner Wermutstropfen dabei: Für Apple ist Car Play vorgesehen, statt Android Auto muss aber erst eine bisher unbekannte Ersatz-App installiert werden.

Mächtiger Auftritt, solide Basis – mit dem Maxus T90 EV rollt der erste Elektro-Pickup auf unsere Straßen.

Marken-Stolz: Saic Motors-Tochter und Nutzfahrzeug-Spezialist Maxus gönnt sich am Heck des T90 den derzeit wohl mächtigsten Schriftzug in der Branche.

Perfekt für die Grill-Saison: Die wuchtige Front gehört in der Pickup-Liga zum guten Ton.

Wie schaut es mit den Lastesel-Eigenschaften aus?
Die Ladefläche misst 1485 mal 1510 Meter, macht 2,24 Quadratmater. Der Platz reicht für eine Europalette, für eine zweite fehlen dem T90 gerade einmal 9 Zentimeter – mit offener Heckklappe lässt sie sich aber dennoch unterbringen. Unter dem optionalen Ladeflächen-Rollo beträgt die Höhe 53 Zentimeter. Maximal stemmt der erste E-Pickup 925 Kilo Nutz- und eine Tonne Anhängelast. Zum Vergleich etwa die Daten eines aktuellen Ford Ranger: Bei dem ist mit 676 Kilo Zulandung Schluss, dafür zieht er aber bis zu 3,5 Tonnen. Es läuft also auf die Frage des tatsächlichen Bedarf hinaus.

Wie schnell geht das Laden? Wie hoch ist die Reichweite, vor allem in der Praxis?
Geboten werden 177 PS Maximalleistung und ein Lithium-Eisenphosphat-Akku mit 85 Kilowattstunden Netto-Kapazität. Dreiphasig kann mit bis zu 11 kWh in neun Stunden vollgeladen werden, am Gleichstrom-Schnell-Lader vergehen 45 Minuten für 20 auf 80 Prozent. Zu den wichtigen E-Eckdaten des Maxus T90 EV gehören außerdem 330 Kilometer WLTP-Reichweite – da diese mit einer Basis-Beladung gemessen wurden, übertrifft er diese Distanz im Praxistest ohne Last an Bord sogar, wenn er ausschließlich auf Autobahn und Bundesstraße unterwegs ist. In der unbeladenen Praxis waren etwa problemlos rund 380 Kilometer zu schaffen.

Das Cockpit ist schlicht, aber nicht lieblos gestaltet und lässt sich der praktischen Anwendung eines Pickups entsprechend auch leicht reinigen.

Simpel und übnersichtlich: Die analogen Instrumente plus TFT-Display.

Onboard-Navi gibt es nicht, Google-Maps vom Handy tut es aber auch.

Platz da: Doppelkabine mit umklappbaren Fondlehnen.

Wie fährt sich der Maxus T90?
Beim Handling punktet er mit dem Ausbleiben jeder Untersteuerungs-Tendenz am Kurveneingang. Verantwortlich ist dafür die ausgewogenen Fahrzeugbalance und auch hier kommt endlich einmal der vielgerühmt tiefe Schwerpunkt zur Geltung. Im Vergleich zu thermisch angetriebenen Pickups, wohlgemerkt – nicht zu einem herkömmlichen Pkw. Die Abregelung bei 120 km/h ist vielleicht etwas unglücklich gewählt, weil es man sich damit auf der Autobahn mangels Überhol-Reserve eher am unteren Ende der Nahrungskette anstellen muss. Insgesamt gibt sich der E-Lastenesel bis in den Grenzbereich neutral, wobei die Lenkung speziell für chinesische Marken ungewöhnlich direkt ausgelegt ist und das Fahrwerk mit hinteren Blattfedern ohne Beladung naturgemäß unterbeschäftigt wirkt. Was Letzteres angeht, behält die Pickup-Welt also auch elektrisch ihre Eigenheiten.

Und offroad?
Beim Test auf dem Offroad-Gelände im Burgenländischen Stotzing beweist der T90, dass ein E-Antrieb in diesem speziellen Anwendungsgebiet gegenüber thermischen Motoren einige Vorteile aufweist. Während Benziner oder Diesel alle Traktionseingriffe über externe Systeme erledigen müssen, erledigt die Elektrovariante vieles mit direkter Steuerung der Kraftverteilung an die Räder aus dem Motor heraus. Was in der Praxis bedeutet, dass der Maxus mit Hinterradantrieb Steigungen schafft und Gelände bewältigt, wo sonst schon ein ausgewachsener 4x4 ran muss. Bergab- und Berganfahrhilfe funktionieren absolut souverän und regeln blitzschnell ein, ansonsten ist bulliges und unbeirrtes Vorwärts die Kernkompetenz des T90. Für eine besondere Eigenschaft darf der tiefe Schwerpunkt noch einmal vor den Vorhang: Er ermöglicht Schräglagen, wo bei herkömmlichen Geländewagen schon der Seitenspiegel kaputt geht – weil das Auto drauf liegt.

Stadt-Land-Fluß – der T90 kommt mit seinem 2WD auch dort weiter, wo sonst oft ein 4x4 gefragt ist.

Die Preisfrage?
Maxus macht es seinen Kunden hier relativ leicht: Es gibt nur eine Ausstattung – Elite, und in der ist alles drin, was oben schon aufgezählt wurde. Der Preis beträgt 58.000 Euro netto, abzüglich Förderungen und etwaiger Flottenboni lässt er sich aktuell auf 42.400 Euro drücken. Wer dennoch gerne etwas aussucht, kann aus vier Farben wählen oder den umfangreichen Zubehörkatalog bemühen. Auf das Fahrzeug werden 5 Jahre oder 100.000 Kilometer Garantie geboten, auf den Akku 8 Jahre oder 160.000 Kilometer.

Welchen Hintergrund hat der chinesische Herausforderer?
Maxus ist Teil des SAIC-Konzernkonglomerats, das zu den zehn größten Unternehmen in China gehört und am Heimmarkt auf rund 25 Prozent Marktanteil kommt. Als Lizenznehmer baut SAIC auch drei Millionen Autos pro Jahr für Volkswagen. In China werden seit 2011 Nutzfahrzeuge und seit 2016 auch SUVs gefertigt. Die Expansion führte Maxus zunächst nach Australien, Neuseeland, England, Südostasien und in den Mittleren Osten. Während dort auch Verbrenner-Modelle verkauft werden, konzentriert sich Maxus in Österreich mit eDeliver 3, eDeliver 9 und Co. gleich auf das Zukunftssegment der Elektromobilität. Mit der Denzel Gruppe haben die Chinesen hierzulande einen etablierten Partner, der bereits Generalimporteur von Hyundai, Mitsubishi und der SAIC-Marke MG ist. Den Import von MG und Maxus hat Denzel in der Asia Import GmbH gebündelt. Die Geschäfte führt mit Andreas Kostelecky ein profunder Kenner der heimischen Autobranche. Head of Sales bei Maxus ist Sandra Bayer, einer Nutzfahrzeug-Expertin mit langjähriger Erfahrung am österreichischen Markt.

Das Fazit?
Der T90 EV ist eine überraschend vielseitige Alternative in der Pickup-Liga. Berührungsängste mit dem Thema E-Antrieb sind hier unnötig, in der Lastenesel-Hierarchie zählen andere Werte als schiere Hochleistungsdaten. Bei den Allround-Talenten darf sich der chinesische Stromer sogar ziemlich weit oben einreihen und beim Preis kann definitiv keiner der thermisch angetriebenen Konkurrenten mithalten. Ob die Reichweite oder viel mehr die danach anfallende Ladezeit für die gewerbliche Nutzung eine Rolle spielen, entscheidet ohnehin die tatsächlich gelebte Praxis.

Fazit von Motorprofis-Tester Stefan Pabeschitz: „Eine überraschend vielseitige Alternative in der Pickup-Liga. Berührungsängste mit dem Thema E-Antrieb sind hier unnötig, in der Lastenesel-Hierarchie zählen andere Werte als schiere Hochleistungsdaten. Bei den Allround-Talenten darf sich der chinesische Stromer sogar ziemlich weit oben einreihen und beim Preis kann definitiv keiner der thermisch angetriebenen Konkurrenten mithalten."