MICHAEL SCHUMACHER
"Es reicht eine Sekunde Unaufmerksamkeit..."
50 Jahre nach seiner Geburt, fünf Jahre nach der einen Sekunde Unaufmerksamkeit, die alles veränderte. Die Legende Michael Schumacher und die Legenden, die sich um den siebenfachen Formel-1-Weltmeister ranken. Und: Was er bei seinem letzten Auftritt sagte.
20.12.2018Fotos: Ferrari, Mercedes
Ein Jahrhundertsportler wird ein halbes Jahrhundert alt.
Und doch wird man Michael Schumacher an seinem 50. Geburtstag nicht sehen. Was mit einem Ereignis vor genau fünf Jahren, am 29. Dezember 2013 vormittags, zu tun hat.
Auf eine nahezu grotesk lächerliche Weise stürzte der Deutsche bei einem Skiausflug mit seinem Sohn Mick und mit Freunden in Megeve, als er der Gruppe nachfuhr und eine kurze Abkürzung über eine nicht präparierte Stelle nehmen wollte, um wieder zur anderen Seite der Piste zu wechseln.
Eine fatale Entscheidung. Schumacher stürzte und schlug mit dem Kopf an einem Stein auf.
Seit fünf Jahren ist er nun aus der Öffentlichkeit verschwunden. Auch wenn um die Art seiner Verletzungsfolgen ein großes Geheimnis gemacht wird, so muss man doch davon ausgehen, dass er schwerste und zum Großteil wohl irreparable Gehirnverletzungen erlitten hat und er nun ein schwerer Pflegefall ist.
Wenn man den wenigen Menschen, die regelmäßig mit ihm in Kontakt sind, genau zuhört, dann fällt auf: Sie wollen nichts sagen, und tun es doch. Dann, wenn sie im Konjunktiv reden.
Sätze sagen wie diesen: "Michael wäre sehr stolz auf Mick."
Was auch heißt: er weiß nicht, dass sein Sohn eben Formel-3-Europameister geworden ist und voll auf Kurs in Richtung Formel 1 ist. Und Michael auf ihn genau so stolz sein kann wie auf seine Tochter Gina Maria, Europameisterin im Westernreiten.
So wie sie auf ihren Vater stolz sein können - und auf das, was er erreicht hat.
Nicht unbedingt auf alles, was er auf der Strecke getan hat - wie etwa den Moment, als er in Monaco 2006 im Qualifying seinen Ferrari wegen eines angeblichen Defektes in der Rascasse-Kurve so abstellte, dass ihn Fernando Alonso nicht von der Pole Position verdrängen hätte können.
Und nicht stolz darauf, dass Michael nicht die Größe hatte, dass auch Jahre später bei seinem Comeback endlich zuzugeben. Obwohl die Telemetrie ihn längst überführt hat, konnte der Mensch Michael Schumacher in all seiner Verkrampfung in dieser Situation nicht einen so simplen Satz sagen wie:
"Das ist ein harter Sport und hier wird viel getrickst. All das ist Jahre her, und ich habe es getan, um einen Vorteil herauszuholen. Es werfe den ersten Stein, der noch im Leben versucht hat, mit allen möglichen Mitteln das Beste für sich zu erreichen."
Dass er diesen einen Satz nicht Mal in einem Alter, in dem er längst für jede Ü40-Party startberechtigt gewesen ist, über die Lippen gebracht hat, enttäuscht nicht wenige Menschen.
Jene, für die ein großer Champion auch ein großer Charakter sein muss.
Und doch ist Michael Schumacher eine Legende.
Schon alleine, weil er sich von ganz unten nach ganz oben gekämpft hat. Mit wenig Geld.
Entdeckt wurde er im August 1988 am Salzburgring - eine Reportage über diesen Tag, der alles veränderte, lesen Sie in der aktuellen Autorevue ( www.autorevue.at ) .
Und weil er den Sport von Grund auf verändert hat: Nie war einer konsequenter, rücksichtsloser, disziplinierter, strebsamer, pedantischer. Und in vielen Bereichen einfach besser.
Er hat Ferrari nach zwei (!) Jahrzehnten in der Krise wieder nach vorne geführt und die Formel 1 von 2000 bis 2004 auf unnachahmliche Art und Weise dominiert.
Und irgendwann, just in dieser Zeit um den moralischen Aussetzer in Monaco 2006, hat ihn das Glück verlassen.
Erst hat ihn der junge Fernando Alonso entzaubert und besiegt.
Dann musste er bei Ferrari aufhören - wohl nicht ganz so freiwillig, wie das kommuniziert wurde.
Denn Präsident Montezemolo stellte sich ihm entgegen und er setzte ihn Kimi Räikkönen für 2007 als Teamkollegen zur Seite.
Das wiederum wollte sich Schumacher nicht mehr antun.
Er wirkte gelangweilt in den Jahren ohne Wettkampf - und suchte die Herausforderung auf dem Motorrad.
Einige seiner Stürze waren furchterregend, vor allem einer im spanischen Aragon und einer Ende 2013 in Frankreich, als er - wie so oft - auf einer Strecke in der Nähe von Genf mit Sebastien Loeb fuhr.
Kurze Zeit später hatte Schumacher, dessen Formel-1-Comeback bei Mercedes von 2010 bis 2012 ein Desaster ohne Sieg gewesen war, seinen letzten öffentlichen Auftritt, es war Mitte Dezember 2013.
In Sindelfingen testete er die neue Mercedes-C-Klasse.
Wir zitieren aus der damaligen Presseaussendung dazu:
„Niemand kann über einen längeren Zeitraum immer 100 Prozent Konzentration aufwenden, um mit seinem Auto und dem Verkehr klar zu kommen. Es reicht ja manchmal schon eine Sekunde Unaufmerksamkeit. Und genau das ist der Punkt, warum ich intelligente Assistenzsysteme in Straßenautos unterstütze“, sagt Schumacher über Intelligent Drive.
18 Tage später und an einem sonnigen Skitag mit einigen seiner Herzensmenschen reichte eine Sekunde Unaufmerksamkeit, ein winziger Fehler, für eine menschliche Katastrophe.
Auf Skiern und nicht, wie so oft davor befürchtet, im Auto oder am Motorrad.
Ein schier Unbesiegbarer ist den Kräften dieser Erde zum Opfer gefallen.
Ob es ein gutes Zeichen seiner Familie ist, dass man die genauen Umstände seiner Verletzung verschweigt und so den Eindruck erweckt, man müsste pflegebedürftige Menschen "verstecken"?
Und nein, wir reden hier nicht von voyeuristischen Fotos, sondern von einer simplen Erklärung über das, was wirklich passiert ist. Und an eine Warnung an alle: Das geschieht, wenn man unter extrem unglücklichen Umständen mit dem Kopf auf einen Stein fällt.
Aber das müssen die Schumachers selber wissen und vielleicht werden ja die Kinder eines Tages eine andere Einstellung zu dem Thema haben, und mehr Transparenz bieten. Um Familien, die behinderte Menschen unter sich haben, zu sagen: Ihr müsst euch nicht verstecken!
Die sportlichen Erfolge kann Michael Schumacher nach 91 Siegen und sieben WM-Titel sowieso keiner mehr nehmen. Auch wenn es gerade heuer langsam klar geworden ist, dass Lewis Hamilton diese Rekorde knacken kann. Etwas, dass vor einiger Zeit noch unvorstellbar schien.
Unvorstellbar.
Wie so vieles im Leben von Michael Schumacher, das Glück und Unglück in einer kaum zu ertragenden Dimension anzieht.
Und doch wird man Michael Schumacher an seinem 50. Geburtstag nicht sehen. Was mit einem Ereignis vor genau fünf Jahren, am 29. Dezember 2013 vormittags, zu tun hat.
Auf eine nahezu grotesk lächerliche Weise stürzte der Deutsche bei einem Skiausflug mit seinem Sohn Mick und mit Freunden in Megeve, als er der Gruppe nachfuhr und eine kurze Abkürzung über eine nicht präparierte Stelle nehmen wollte, um wieder zur anderen Seite der Piste zu wechseln.
Eine fatale Entscheidung. Schumacher stürzte und schlug mit dem Kopf an einem Stein auf.
Seit fünf Jahren ist er nun aus der Öffentlichkeit verschwunden. Auch wenn um die Art seiner Verletzungsfolgen ein großes Geheimnis gemacht wird, so muss man doch davon ausgehen, dass er schwerste und zum Großteil wohl irreparable Gehirnverletzungen erlitten hat und er nun ein schwerer Pflegefall ist.
Wenn man den wenigen Menschen, die regelmäßig mit ihm in Kontakt sind, genau zuhört, dann fällt auf: Sie wollen nichts sagen, und tun es doch. Dann, wenn sie im Konjunktiv reden.
Sätze sagen wie diesen: "Michael wäre sehr stolz auf Mick."
Was auch heißt: er weiß nicht, dass sein Sohn eben Formel-3-Europameister geworden ist und voll auf Kurs in Richtung Formel 1 ist. Und Michael auf ihn genau so stolz sein kann wie auf seine Tochter Gina Maria, Europameisterin im Westernreiten.
So wie sie auf ihren Vater stolz sein können - und auf das, was er erreicht hat.
Nicht unbedingt auf alles, was er auf der Strecke getan hat - wie etwa den Moment, als er in Monaco 2006 im Qualifying seinen Ferrari wegen eines angeblichen Defektes in der Rascasse-Kurve so abstellte, dass ihn Fernando Alonso nicht von der Pole Position verdrängen hätte können.
Und nicht stolz darauf, dass Michael nicht die Größe hatte, dass auch Jahre später bei seinem Comeback endlich zuzugeben. Obwohl die Telemetrie ihn längst überführt hat, konnte der Mensch Michael Schumacher in all seiner Verkrampfung in dieser Situation nicht einen so simplen Satz sagen wie:
"Das ist ein harter Sport und hier wird viel getrickst. All das ist Jahre her, und ich habe es getan, um einen Vorteil herauszuholen. Es werfe den ersten Stein, der noch im Leben versucht hat, mit allen möglichen Mitteln das Beste für sich zu erreichen."
Dass er diesen einen Satz nicht Mal in einem Alter, in dem er längst für jede Ü40-Party startberechtigt gewesen ist, über die Lippen gebracht hat, enttäuscht nicht wenige Menschen.
Jene, für die ein großer Champion auch ein großer Charakter sein muss.
Und doch ist Michael Schumacher eine Legende.
Schon alleine, weil er sich von ganz unten nach ganz oben gekämpft hat. Mit wenig Geld.
Entdeckt wurde er im August 1988 am Salzburgring - eine Reportage über diesen Tag, der alles veränderte, lesen Sie in der aktuellen Autorevue ( www.autorevue.at ) .
Und weil er den Sport von Grund auf verändert hat: Nie war einer konsequenter, rücksichtsloser, disziplinierter, strebsamer, pedantischer. Und in vielen Bereichen einfach besser.
Er hat Ferrari nach zwei (!) Jahrzehnten in der Krise wieder nach vorne geführt und die Formel 1 von 2000 bis 2004 auf unnachahmliche Art und Weise dominiert.
Und irgendwann, just in dieser Zeit um den moralischen Aussetzer in Monaco 2006, hat ihn das Glück verlassen.
Erst hat ihn der junge Fernando Alonso entzaubert und besiegt.
Dann musste er bei Ferrari aufhören - wohl nicht ganz so freiwillig, wie das kommuniziert wurde.
Denn Präsident Montezemolo stellte sich ihm entgegen und er setzte ihn Kimi Räikkönen für 2007 als Teamkollegen zur Seite.
Das wiederum wollte sich Schumacher nicht mehr antun.
Er wirkte gelangweilt in den Jahren ohne Wettkampf - und suchte die Herausforderung auf dem Motorrad.
Einige seiner Stürze waren furchterregend, vor allem einer im spanischen Aragon und einer Ende 2013 in Frankreich, als er - wie so oft - auf einer Strecke in der Nähe von Genf mit Sebastien Loeb fuhr.
Kurze Zeit später hatte Schumacher, dessen Formel-1-Comeback bei Mercedes von 2010 bis 2012 ein Desaster ohne Sieg gewesen war, seinen letzten öffentlichen Auftritt, es war Mitte Dezember 2013.
In Sindelfingen testete er die neue Mercedes-C-Klasse.
Wir zitieren aus der damaligen Presseaussendung dazu:
„Niemand kann über einen längeren Zeitraum immer 100 Prozent Konzentration aufwenden, um mit seinem Auto und dem Verkehr klar zu kommen. Es reicht ja manchmal schon eine Sekunde Unaufmerksamkeit. Und genau das ist der Punkt, warum ich intelligente Assistenzsysteme in Straßenautos unterstütze“, sagt Schumacher über Intelligent Drive.
18 Tage später und an einem sonnigen Skitag mit einigen seiner Herzensmenschen reichte eine Sekunde Unaufmerksamkeit, ein winziger Fehler, für eine menschliche Katastrophe.
Auf Skiern und nicht, wie so oft davor befürchtet, im Auto oder am Motorrad.
Ein schier Unbesiegbarer ist den Kräften dieser Erde zum Opfer gefallen.
Ob es ein gutes Zeichen seiner Familie ist, dass man die genauen Umstände seiner Verletzung verschweigt und so den Eindruck erweckt, man müsste pflegebedürftige Menschen "verstecken"?
Und nein, wir reden hier nicht von voyeuristischen Fotos, sondern von einer simplen Erklärung über das, was wirklich passiert ist. Und an eine Warnung an alle: Das geschieht, wenn man unter extrem unglücklichen Umständen mit dem Kopf auf einen Stein fällt.
Aber das müssen die Schumachers selber wissen und vielleicht werden ja die Kinder eines Tages eine andere Einstellung zu dem Thema haben, und mehr Transparenz bieten. Um Familien, die behinderte Menschen unter sich haben, zu sagen: Ihr müsst euch nicht verstecken!
Die sportlichen Erfolge kann Michael Schumacher nach 91 Siegen und sieben WM-Titel sowieso keiner mehr nehmen. Auch wenn es gerade heuer langsam klar geworden ist, dass Lewis Hamilton diese Rekorde knacken kann. Etwas, dass vor einiger Zeit noch unvorstellbar schien.
Unvorstellbar.
Wie so vieles im Leben von Michael Schumacher, das Glück und Unglück in einer kaum zu ertragenden Dimension anzieht.
Michael Schumacher wurde sieben Mal Weltmeister.
Er gewann fünf Titel mit Ferrari, zwei mit Benetton.
Sein letzter öffentlicher Auftritt, drei Wochen vor dem verhängnisvollen Skitag. Dabei sagt er: "Es reicht ja manchmal schon eine Sekunde Unaufmerksamkeit. "
2 Siege in Spielberg. Einer schmeckte aber ganz bitter.
Mit Jean Todt, der bis heute immer bei Schumachers zu Gast ist.
Bei Ferrari wurde Michael Schumacher zur Marke. Aber wie groß bleibt der Mythos?
Das Bild täuscht etwas: Der Abschied 2006 von Ferrari war nicht ganz so freiwillig, wie man das kommunizierte.
Im Ruhe-Modus.
Mit dem Chef.
Blick fürs Wesentliche.
91 Siege in 14 Jahren.
Schumachers letztes Ferrari-Rennen 2006...
...und die Frage: Was bleibt von seiner Ära im Spiegel der Erinnerung?
Michael Schumacher. Sein Platz in der Geschichte ist noch nicht so klar definiert, wie sieben Titel es vermuten lassen würden.