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GERALD ENZINGER

GERALD ENZINGER

Red Bull reif für F1-Übernahme

Toto Wolff hat Ferrari zum siebenten Mal in Serie gezeigt, wie man ein Team erfolgreich führt – statt katastrophal. Und Red Bull hat eigentlich die ganze Formel 1 gerettet – mit zwei perfekt organisierten Veranstaltungen, die der ganzen Sportwelt vorführen, wie Events in Zeiten von Corona funktionieren. Mehr denn je scheint es jetzt aktuell: Red Bull könnte von der führenden Kraft der Formel 1 zu noch mehr werden: zum Miteigentümer und Macher.
Genau zehn Jahre sind seit dem Sommer 2010 vergangen.
Seit einem Tag, als ich mit Freunden über einen Zaun geklettert bin, um zum ersten Mal wieder den schlammigem Boden des Österreichrings zu berühren. Dort, wo heute die Start-und-Ziel-Gerade, das Fahrerlager und das Wing-Gebäude stehen, da war eigentlich nur ein Loch, eine Baustelle. Aber man konnte sich auf den einen oder anderen Betonblock stellen und hatte das Gefühl, bei einer Siegerehrung zu sein.

Sonntag hatte ich das Privileg, das Rennen aus der Nähe anzusehen, den ersten Grand Prix der Steiermark. Es ist unglaublich, was hier binnen eines Jahrzehnts entstanden ist: eine blühende Region und mitten drin einer der besten Renn-Hänge der Welt.

200 Meter von der einstigen Bosch-Kurve entfernt, dort wo sich beim Auftakt Albon und Hamilton zu nahe gekommen waren, grasen Schafe und der Bauer passt gut auf sie auf. Die Kirche, die an Formel-1-Tagen immer geschlossen hat (deutsche Zeitungen hatten irrtümlich behauptet, dass sei nur jetzt zum Corona-Schutz), der Friedhof, der Wald und visasvis die Berge bis hin zum Zirbitz.
Kaum eine andere Rennstrecke in der Welt hat ein so unvorstellbar schönes Ambiente und ist zugleich so sehr modernes Motodrom mit einer aufregenden Stadionatmosphäre.

Kaum wer kann sich noch erinnern, dass die Strecke 2011 eher als Sportplatz im Regionalliga-Format (klein, aber fein) wiedereröffnet worden war. Die meisten hielten die Arena für maximal 25.000 Zuschauer und Rennen der DTM schon für die letzte Ausbaustufe. Nur die Vertrauten von Dietrich Mateschitz flüsterten damals schon: "Der  Chef hat ganz andere Pläne. Über kurz oder lang ist hier wieder die Formel 1."
Es klangt völlig unrealistisch und absurd.

Drei Jahre später kamen 215.000 Zuschauer zum Formel-1-GP, 2019 waren es je rund 200.000 bei Formel 1 und MotoGP.
Keine andere Strecke in Europa hat so eine Speisekarte für Rennsport-Gourmets.

Und heuer hat die Red Bull die Formel 1 gerettet, weil Dr. Helmut Marko und die Mitarbeiter in Spielberg und in Fuschl schon längst an einem Grand-Prix-Auftakt in Spielberg arbeiteten, als ganz Europa noch in der völligen Lockdown-Lethargie war.

Am Ende gab es zum Anfang einer höchst gefährdeten Saison jetzt zwei perfekt organisierte Veranstaltungen, in denen das logistische Kunststück gelang, Akteure aus allen Kontinenten so durchs Sicherheitssystem zu schleusen, dass trotz Virus alle gut blieb.

Selbst die Lockdown-Zweifler Mateschitz und Marko wurden mit Masken gesehen und die Fahrer und Mechaniker blieben diszipliniert, mit Ausnahme des absurden Monaco-Party-Trips von Charles Leclerc, der nicht gerade für dessen Empathie und Hausverstand spricht.

Möglich wurde der Erfolg auch, weil Rennfahrer einfach disziplinierer sind als Tennisspieler oder auch zum Teil Fußballer. Sicherheitsdenken ist das oberste Gebot eines jeden Menschen, der in diesem HighTech und HighRisk-Unternehmen lebt. Daher ist man für vernünftige Argumente und Appelle einfach empfänglicher.

Für Red Bull ist die Veranstaltung zwar sportlich bescheiden geblieben – klar im Schatten der schnelleren Mercedes  – aber auf lange Sicht ein enormer Erfolg.
Wieder einmal hat man bewiesen, "dass man Event einfach kann".

Nie waren sich die Formel 1 und Red Bull näher, alle Ausstiegsdrohungen sind Geschichte. In einem Umfeld voller taumelnder Autokonzerne ist ein privater Konzern aus einer anderen Welt extrem wichtig für den Top-Motorsport.
Man kann davon ausgehen, dass die Rolle der beiden Teams und der Rennstrecke noch mehr wächst (obwohl das kaum noch möglich ist), und das die künftigen Übertragungsrechte für Servus TV ein erstes Zeichen sind, das Red Bull auch das Entertainment in der Formel 1 zusehends auch offizell übernimmt.

Selbst ein Investment in die Formel 1 bis hin zu deren Kauf scheint möglich – Liberty mag einige gute Ansätze haben, aber vieles geht auch komplett daneben. Man braucht dringend Know How und vielleicht auch frisches Geld. Die Aktien ist weit unten und es könnte der ideale Moment sein, um zu investieren.

Man kann vermuten, dass die beiden Formel-1-Rennen in Spielberg, die ohne jede Übertreibung historisch waren, und stilbildend für den Umgang von Profi-Weltsportarten mit dem Virus, ebenso wie der Servus-TV-Deal nur weitere Schritte waren auf den Weg zu einer noch mehr beflügelten Formel 1.

Für Österreich und die Steiermark ist das eine gute Nachricht. Man kann davon ausgehen, dass der Grand Prix (dessen Vertrag heuer endet) auf Jahre hinaus in Spielberg ausgetragen wird. In schlechten Zeiten vielleicht sogar zwei Mal. Denn in schlechten Zeiten erkennt man gute Manager.
Was einst mit dem Sauber-Formel 1 (hier bei Dreharbeiten von Patrick Friesacher gefahren) begann, könnte noch viel, viel größer werden: Red Bulls Beziehung zur Formel 1.Was einst mit dem Sauber-Formel 1 (hier bei Dreharbeiten von Patrick Friesacher gefahren) begann, könnte noch viel, viel größer werden: Red Bulls Beziehung zur Formel 1.
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