
Test & Überblick: Porsche Taycan Familie
Ein neuer Zauber
Weil alle mitmachen müssen, auch die Sportwagen. Die EU-Staaten haben sich verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu senken. 2050 soll Europa ein klimaneutraler Kontinent sein. Porsche strebt daher C02-Neutralität im gesamten Lebenszyklus an, also von den Rohmaterialien über die Lieferketten und die Produktion bis zur Nutzungsphase und der Verwertung. Stolz verkündet man Etappenerfolge: Daheim in Zuffenhausen ist der CO2-Ausstoß durch grünen Strom und Biogas fast auf null. Knapp 40 Prozent der verkauften Fahrzeuge sind bereits elektrifiziert, in Österreich sogar 50 Prozent. Die drängende Frage der Batterieverwertung hat hohe Priorität, in fünf Jahren sollen 95 Prozent des Akkus recycelt werden können.
Werden alle Porsche künftig Elektroautos?
80 Prozent der Porsche-Modelle sollen 2030 reine E-Autos sein. Der Rest entfällt auf 911er, die mit sogenannten eFuels fahren – also synthetischen Kraftstoffen, die mit möglichst grünem Strom hergestellt werden. In einem besonders windigen Teil von Chile baut Porsche mit Siemens Energy gerade die erste kommerzielle eFuel-Anlage der Welt.
In 2020er-Jahren wird mit Stromern und Plug-in-Hybriden noch zweigleisig elektrifiziert, nächstes Serien-Elektroauto wird 2023 ein Macan sein. Die großen Zukunftsprojekte beschäftigen sich aber schon mit der Weiterentwicklung des rein elektrischen Antriebs auf höchstes Sportwagen- oder auch Rennsport-Niveau. Getüftelt wird an den Position der Batterie (Tendenz: zwischen Fahrer und Hinterachse), der Anzahl der E-Maschinen (Tendenz: zwei), der Kühlung (neue Stator-Direktkühlung), der Energiedichte der Batterie, der Rekuperation (bis zu 800 kW sind aufgerufen), der Ladegeschwindigkeit (z.B. mit 900-Volt-Technologie) sowie dem Energiemanagement. Über 1000 PS starke Studien wie Mission R und Cayman GT4 ePerformance zeigen die Ansätze konkret – und wer die technische Manie von Porsche kennt, wird nicht daran zweifeln, dass sie mit Nachdruck verfolgt werden.
Die erste batterieelektrische Modellfamilie von Porsche ist der Taycan – wie ist der Stand der Dinge?
Die Familie ist nun vollständig, gibt drei Taycans: Neben der sportlich interpretierten Taycan-Limousine den kombiartigen „Sport Turismo“ und dessen leicht hochgestellte Abwandlung „Cross Turismo“. Wie bei Porsche üblich, sind unzählige Antriebsvarianten verfügbar, deren abgestufte Nomenklatur von den Verbrenner-Modellen übernommen wurde: Basis, 4S, GTS, Turbo, Turbo S.



Wie eine nochmals schnittigere Interpretation des Panamera-Konzepts: Wer Sportlimousinen mag, bekommt sie hier extrasportlich. Wer einen Sportkombi will, erhält eine weitere Designzuspitzung. Stilistisch schlägt der Taycan die Brücke zwischen alter Tradition und neuer Ära: Layout und Windschlüpfrigkeit weisen ihn unmissverständlich als Elektroauto aus, zu futuristisch wird es aber nicht.
Ein paar Leitlinien ergeben sich aus dem Designvergleich der Modelle: Für uns wirkt die Limousine athletischer als der Sport Turimso, sie hat mehr Sportwagencharakter. Die GTS-Varianten haben durch ihre Tieferlegung jeweils den sportlichsten Charakter. Der Cross Turismo hebt sich durch die Beplankung doch etwas stärker ab, als es die 20 Millimeter zusätzliche Bodenfreiheit vermuten lassen, das sollte SUV-Fahrern den Umstieg leichter machen.
Wie praktisch ist der Taycan im Alltag?
Vorne sitzen auch Riesen sehr bequem, in Reihe zwei werden normal große Erwachsene nicht unzufrieden sein. Die Limousine hat hinten einen relativ flachen, aber langen Kofferraum (bis zu 407 Liter), dazu kommt Stauraum vorne (bis zu 84 Liter). Wenn man etwas auf die Form der Gepäckstücke achtet, reicht das auch für die langen Ferien. Sport Turismo und Cross Turismo haben den Vorteil der großen Heckklappe – und nach dem Umlege der Fondlehnen eine erstaunlich lange, komplett ebene Ladefläche. Fassungsvermögen 446 bis 1.212 Liter hinten, dazu ebenfalls 84 Liter vorne.
Das Cockpit ist bis ins Detail digitalisiert: Die Armaturen ersetzt ein gebogener Bildschirm, der hoch oben und damit gut im Blickfeld des Fahrers ist. Der Beifahrer hat einen eigenen Touchscreen vor sich und braucht sich nicht mehr zur Mitte drehen. Insgesamt spürt man die Akribie hinter der großen Cockpit-Umgestaltung. Es ergeben sich keine Probleme durch den Rausschmiss der Knöpfe, maximal Kleinigkeiten kann man bemängeln.
Wie steht es um das Preis-Leistungsverhältnis beim Taycan?
Die Spanne ist groß und reicht von 89.210 Euro für den normalen Taycan Sport Turismo bis 191.309 Euro für den Taycan Turbo S Cross Turismo. Die Extras kommen noch dazu, sind aber weniger geworden. Während es also bei den Topmodellen unter Strich schon happig wird, ist das Einstiegsmodell für diese Liga fast schon wieder günstig. Denn klar ist auch: Der Taycan ist sehr hochwertig gemacht, bietet Premiumqualität bis ins Detail.



Wie schaut es mit der Reichweite und dem Laden aus?
Es gibt zwei Batteriekapazitäten: 72 kWh netto und 84 kWh netto. Die Reichweite nach der realitätsnahen WLTP-Messung beträgt bis zu 504 Kilometer, je braver motorisiert der Taycan ist, desto weiter geht es. Auf der Autobahn sollten bei normalen Bedingungen und Tempo 130 km/h stets 300 bis 350 Kilometer drinnen sein, im tiefen österreichischen Winter können es aber auch etwas unter 300 Autobahnkilometer am Stück sein. Uneingeschränkte Alltagstauglichkeit bieten Elektroautos eben noch nicht, im Konkurrenzvergleich liegt der Taycan mit diesen Werten trotzdem im Spitzenfeld. Für ihn spricht zudem das schnelle Laden mit bis zu 270 kW, dass unter anderem die 800-Volt-Technik ermöglicht: Gute 22 Minuten dauert es im Idealfall von fünf auf 80 Prozent – vor allem Ionity bietet auch schon entsprechend leistungsfähige Ladesäulen an, die halbwegs vernünftig über das Autobahnnetzt verteilt sind.
Springt der Funke beim Fahren über?
Das ist die Alles-oder-Nichts-Frage für einen Porsche. Sie wird nicht an der Ampel entschieden, der Vergleich von Tesla- und Porsche-Beschleunigungszeiten ist natürlich ein bedeutungsloses Nerd-Quartett, zumal sich ja am Wiener Prater mit nur fünf Euro Einsatz noch spektakulärere Effekte erzielen lassen. Hingegen ist echter Fahrspaß für eine Porsche nicht nur wichtig, sondern von existenzieller Bedeutung – qua Markendefinition muss sich ein Porsche sehr schnell durch Straßenkrümmungen bewegen, zumindest aber sportlicher als die direkte Konkurrenz sein.
Die Ausgangsposition ist speziell, bei einem Taycan Turbo S stehen sich mit bis zu 761 PS Systemleistung (im Overboost bei Launch Control; Nennleistung 625 PS) und 2.370 Kilo Eigengewicht echte Extreme gegenüber. Porsche macht Erstaunliches daraus: Der niedrige Schwerpunkt, die tolle Fahrwerksabstimmung und die exakte Lenkung machen das Auto für diese Gewichtsklasse unglaublich agil. In schnellen und mittelschnellen Kurvenkombinationen kommt man rasch in einen dynamischen Flow, selbst in Kehren sticht der Tacyan mit ordentlichem Tempo. Dabei ist immer Gefühl gefragt: Einerseits um die wahnwitzige Beschleunigung zu dosieren (was schnell gut gelingt). Andererseits um das Kurventempo richtig anzusetzen, denn irgendwann drängt das Gewicht nach außen, was kein so angenehmes Gefühl ist. Zusammengefasst: Der Taycan ist eine Option für sportliche Fahrer und dynamischer als Panamera und Cayenne, an einen 911er kommt er in sportlicher Hinsicht schon allein wegen der Größe nicht heran.
Ungewohnt ist beim Sport natürlich die weitgehende Abwesenheit von Motorsound, am Ende sind die Ohren aber ein emotionaler Nebenschauplatz und der Fahrspaß bei Stille genauso groß. Die Umstellung ist jedenfalls Teil der elektrischen Neuinszenierung, denn durchaus faszinierend ist das trotz Sportlichkeit hohe Komfortniveau. Selbst bei unheilig hohem Tempo herrscht im Innenraum heilige Ruhe. Der Taycan beschleunigt ohne einen Mucks in Temporegionen, die andere nur vom Hörensagen kennen. Auch die 761-PS-Turbo-S-Variante lässt sich völlig entspannt dosieren und problemlos durch Tempo-30-Regionen tragen. Das Fahrwerk ist zwar knackig, aber nicht ernsthaft unkomfortabel. Die Lenkung ist direkt, aber nicht nervös.
Wichtig zu wissen: Die Topversion „Turbo S“ ist durchaus faszinierend, aber nicht notwendig. Die schwächeren Versionen – beginnend bei 408 PS Overboost-Leistung respektive 326 PS Nennleistung – reißen auch ordentlich an und tun dem Fahrspaß keinen Abbruch.
Ich will den Taycan – wann kriege ich ihn?
Lässt sich momentan nicht genau sagen, auch Porsche plagen die Lieferschwierigkeiten bei Chips und Kabelbäumen. Man hofft auf Entspannung und will daher exakte Angaben vermeiden. Je nach Modell sollte man aber schon mit sechs bis acht Monaten rechnen – und sich freuen, wenn es vielleicht doch schneller klappt.
Das Fazit?
Anders, aber immer noch eindeutig Porsche: Die Kombination aus wahnwitziger Beschleunigung, für diese Gewichtsklasse erstaunlicher Agilität und gleichzeitig hohem Komfortniveau sorgt für einen neuen Zauber. Mit Blick auf die Reichweite ist die Alltagstauglichkeit nicht uneingeschränkt, aber gegeben.


