TEST: FORD MUSTANG MACH-E
Einer von den coolen Jungs
Ford wird elektrisch. Wie schaut der Plan aus?
Die Marke startet etwas spät, aber wild entschlossen ins elektrische Zeitalter: In den nächsten vier, fünf Jahren fließen über 20 Milliarden in die Entwicklung von E-Fahrzeugen. Bis 2026 soll es für jedes Modell in Europa entweder Plug-In-Hybrid oder Elektroantrieb geben. Ab 2030 werden alle Ford-PKWs in Europa rein elektrisch fahren – bis dahin muss nur noch die Energiewende mit der Mobilitätswende mithalten.
Beim ersten Elektroauto wirft Ford seine berühmteste Marke in die Waagschale.
Für einen möglichst spektakulären Start in die Elektro-Ära wird das lässigste Auto des Hauses erstmals als Crossover interpretiert. Ein Mustang-SUV war vor einigen Jahren nur mit sehr viel Phantasie vorstellbar – aber heute? Kein Problem, selbst Lamborghini und Rolls-Royce tun es ja inzwischen. Der neue Mustang Mach-E ersetzt den normalen Mustang natürlich nicht, sondern erweitert die Wildpferde-Truppe. Unter dem Blech ist übrigens eine neu entwickelte Elektro-Bodengruppe, bei der die Batterien platzsparend zwischen den Achsen lagern.
Was für ein Typ ist der Mustang Mach-E? Wer sind seine Konkurrenten?
Ein Crossover mit fünf Türen, fünf Sitzplätzen und ordentlichem Kofferraum. Diese Karosserieform entspricht einem SUV mit etwas geduckter Haltung und wird von der elektrischen Avantgarde gerade präferiert – man kann sich damit etwas vom Mainstream abheben, ohne dem SUV-Trend abzuschwören zu müssen. In eine ähnliche Stilrichtung gehen auch die Elektromodelle VW ID.4, Jaguar I-Pace, Kia EV6, Skoda Enyaq, Audi Q4 e-tron und Tesla Model Y. Natürlich zielt der Mustang Mach-E aber auch auf den aktuellen Elektro-Bestseller Tesla Model 3 ab, der als Limousinen-Coupé angelegt ist – beide Autos sind ziemlich genau 4,70 Meter lang. Und selbst die Elektro-Oberklasse wie Audi e-tron oder Tesla Model S/Model X ist für den Mustang Mach-E nicht außer Reichweite (nicht zuletzt wegen seiner großen Reichweite), am Elektromarkt sind die Segment-Gehege noch nicht so eindeutig abgesteckt wie sonst.
Wie viel Mustang steckt im Design?
Direkte Vergleiche mit dem gleichnamigen Sportwagen verbitten sich, aber das ist ja bei Porsche und Lamborghini nicht anders. Es geht um die lässige Atmosphäre, und die wurde gut aufbereitet.
Auf dem Mustang Mach-E findet sich kein einziges Ford-Logo, wie beim Sportcoupé galoppiert vorne und hinten nur das Wildpferd über die Karosserie. Charakteristische Mustang-Elemente wie die lange, gewölbte Fronthaube und das markante Heckdesign mit den dreiteiligen Rückleuchten wurden vom Sportwagen-Klassiker übernommen. Die Stilrichtung ist ganz klar SUV-Coupé, das zeigen auch die sportlichen Stoßfänger, die schmalen Lichter, die stark abfallende Dachlinie und die durch den eingezogenen Passagierraum muskulöse Schulterpartie. Dass es um ein fortschrittliches Auto geht, wird durch den Wegfall des Kühlergrills öffentlichkeitswirksam betont. Alles in allem ist der Mustang Mach-E das, was er sein will: ein Cool Car. Und damit eines der Familienautos, in denen man sich auch alleine sehr wohl fühlt.
Genau wie bei Tesla dominiert ein monströser Touchscreen den Innenraum, im Mustang steht er im Hochformat und misst 15,5 Zoll, was 39 Zentimetern Bildschirmdiagonale entspricht. Dazu kommt eine schmale, waagerecht verbaute 10,2-Zoll-Instrumententafel direkt im Blickfeld des Fahrers. Modernes Premium-Ambiente kommt auch von den großzügigen grauen Stoffverkleidungen auf dem Armaturenbrett und den vorderen Türen, in die kleine B&O-Logos eingearbeitet sind – die dänische Luxusmarke steuert ein 560-Watt-Soundsystem mit zehn Lautsprechern bei (wenn das Technologie-Pakt 1 geordert wird). Die Sitze sind mit gutem Sensico-Kunstleder tapeziert, das je nach Variante mit grauen oder schwarzen Ziernähten verarbeitet wird. Dass Ford am Lenkrad und in den Armablagen noch altbekannte Knöpfe verarbeitet, kann man als Avantgarde-Fauxpas betrachten, praktisch ist es aber. Insgesamt ist das Ambiente trotz einiger harter Kunststoffe und kleiner Detailschwächen hochwertig, von der Elektro-Konkurrenz liegen wohl nur Audi und Jaguar darüber.
Was kann das überdimensionale Multimediasystem? Wie praktisch ist es?
Das SYNC 4-System von Ford ist so leistungsfähig wie moderne Mobiltelefone oder Computer – Teile der Autobranche haben da zuletzt enorme Fortschritte gemacht, vor wenigen Jahren war man ja noch ganz weit weg von Handy-Niveau. Wir haben uns sehr schnell an die Menüstruktur gewöhnt, in der Regel steht ein Thema wie Navi oder Telefon oben im Zentrum, während andere Bereiche unten mitlaufen und auf kurzem Weg angewählt werden können. Wie immer, wenn Funktionen im großen Stil in den Touchscreen verlagert werden, sind mitunter aber zwei Bedienschritte notwendig, wo früher, mit Knöpfen oder Rädchen, nur einer gemacht werden musste, das kennen wir inzwischen.
Fortschrittliche, von Internet-Ergebnissen unterlegte Spracherkennung hat der Mustang Mach-E ebenso im Repertoire wie kabellose Integration von Apple CarPlay und Android Auto. 80 Fahrzeugfunktionen – von der Innenraumtemperatur über die Sitzposition bis hin zur Ambiente-Beleuchtung und den Radiosendern – können dem eigenen Profil zugeordnet werden, wechseln also beim Fahrerwechsel mit.
Warum gibt es keine normalen Türgriffe mehr? Und hat der herkömmliche Schlüssel wirklich ausgedient?
Es gibt natürlich einen normalen Schlüssel, aber er ist nicht mehr zwingend notwendig. Die neue Technologie „Digitaler Schlüssel“ erkennt via Bluetooth, wenn sich ein legitimiertes Mobilgerät nähert und entriegelt daraufhin die Türen. Auch zum Starten des Autos genügt das eingesteckte Smartphone. Alternativ lässt sich der Mustang Mach-E per Geheimzahl öffnen, sie wird auf einem Ziffernfeld in der B-Säule eingegeben. Mit einem separaten PIN-Code, der auf dem zentralen Touchscreen getippt wird, lässt sich das Auto dann starten. Sowohl Schlüssel als auch Mobiltelefon können also bei Bedarf zuhause bleiben, was zum Beispiel für Sportler ein praktisches Feature ist. Statt konventioneller Türgriffe gibt es vorne und hinten nur noch Druckknöpfe, die Türen springen selbständig ein wenig auf und werden mit einem kleinen Knubbel weiter geöffnet – wie sich das in der Praxis bewährt, werden spätere, ausführlichere Tests zeigen.
Sehr ordentlich. Die Passagiere haben vorne reichlich Platz und freuen sich auch in Reihe zwei über gute Beinfreiheit. Der Basis-Kofferraum ist mit einem Volumen von 402 Liter nicht riesig, es stehen aber zusätzlich 81 Liter unter der „Motorhaube“ zur Verfügung – diese sogenannte „Ford MegaBox“ schätzen besonders Familien und Sportler, denn sie kann ausgewaschen werden und verfügt sogar über einen Wasserablauf, ist also ideal für nasse Sportkleidung, schmutzige Wanderstiefel oder sandige Strandsachen.
Kommen wir zur Antriebstechnik. Welche Varianten gibt es? Was bieten sie bei Leistung und Reichweite?
Es gibt zwei Batteriegrößen und zwei Motorvarianten.
Der kleinere Akku (Standard Range) mit 75 kWh – das sind 68 Kilowattstunden nutzbare Netto-Speicherkapazität – wird mit einem 269 PS starkem Heck- oder Allradantrieb kombiniert. Die Reichweite nach der offiziellen WLTP-Messung beträgt 400 Kilometer (AWD) bis 440 Kilometer (Heckantrieb)
Der größere Akku (Extended Range) kommt auf 99 kWh, das bedeutet netto 88 kWh nutzbarer Kapazität. Damit steigt die WLTP-Reichweite auf 610 Kilometer in der 294 PS starken Heckantrieb-Variante sowie 540 Kilometer beim Allradler mit 351 PS. Bis zu 580 Newtonmeter Drehmoment sind im Spiel, der beste Sprintwert auf 100 km/h liegt bei ambitionierten 5,1 Sekunden.
Ende des Jahres legt die künftige Topversion Mustang Mach-E GT mit 487 PS und einem maximalen Drehmoment von 860 Newtonmeter noch einiges drauf, der Sprint auf Hundert soll dann in 3,7 Sekunden gelingen.
Legen wir los. Wie fährt sich der Mustang Mach-E?
Für den ersten Test stand der Extended Range mit Dual-Elektromotor (99 kWh / 351 PS / AWD) zur Verfügung, also die aktuelle Topversion. In dieser Konfiguration reißt der Mustang Mach-E an wie ein Sportwagen, oder sogar besser – denn die durchaus spektakulären 580 Newtonmeter werden ja ab Drehzahl Null unmittelbar freigesetzt, müssen sich nicht wie beim Verbrenner erst aufbauen. Alles geht ganz leicht, sportliche Fahrer können also theoretisch fehlende Herausforderung beklagen, aber sicher nicht fehlende Leistung – mehr Power braucht in einem SUV niemand.
Das Fahrverhalten hat natürlich nichts mit einem Mustang im ursprünglichen Sinn zu tun – als SUV hat der Mustang Mach-E nicht die Lenkpräzision, das spielerische Handling oder den Vorderachsen-Grip eines Sportwagens. Dass er auf Landstraßen trotzdem ziemlich flott unterwegs ist, liegt neben dem schnellen Ansprechverhalten des Antriebs am niederen Schwerpunkt. Die Batterien drücken das Auto gut auf den Boden, bis allmählich Untersteuern einsetzt, weil die rund 2,2 Tonnen nach außen drängen.
Drei Fahrmodi („Zahm“, „Aktiv“ und „Temperamentvoll“) verändern die Abstimmung des Autos und in der Nacht auch die Farbe der Ambiente-Beleuchtung. Bei „Temperamentvoll“ kommen komponierte „Motor“-Soundeffekte aus den Boxen, die etwas nach Achtzylinder-Brummen klingen und für das Beschleunigungsgefühl tatsächlich ganz angenehm sein können. Von den Fahrmodi unbeeinflusst, also nicht elektronisch gesteuert, ist das Fahrwerk, in Kombination mit den 19-Zöller ist die Abstimmung eher auf der straffen Seite.
Der Mustang Mach-E beherrscht das „Ein-Pedal-Fahren“ im Gegensatz zu vielen Konkurrenten bis zum Stillstand. Wer die entsprechende Funktion eingeschaltet hat, benötigt das Bremspedal also nur noch im Notfall, sonst verzögert das Auto allein. Für die Dosierung dieser Rekuperations-Verzögerung braucht es ein wenig Übung, weil man ziemlich knapp vor einem anderen Auto einfach vom Pedal geht – und nicht mehr bremst. Sobald man Gefühl bekommen und Vertrauen gefasst hat, wird das lustig.
Die Reichweite klingt beeindruckend – wird sie in der Praxis halten?
Mit bis zu 610 Kilometern kombinierter WLTP-Reichweite ist der Mustang Mach-E im Konkurrenzvergleich ganz, ganz vorne dabei. Das offizielle Messerverfahren ist inzwischen relativ realitätsnah, was er erste Test von Motorprofis.at bestätigt hat: Bei warmem Wetter und normaler Fahrweise in der Stadt oder auf Landstraßen halten die veranschlagten Reichweiten weitgehend. Nur bei sportlichen Einlagen und auf der Autobahn kommt spürbar weniger heraus, aber das ist ja bei allen E-Autos so.
Wie gut ist der Mustang Mach-E beim Laden?
Er beherrscht dreiphasiges Wechselstromladen (AC) mit bis zu 11 kW und Gleichstromladen (DC) an Schnell-Ladesäulen mit bis zu 150 kW. Serienmäßig mitgeliefert werden im Mustang Mach-E ein sechs Meter langes Mode-3-Kabel mit Typ2-Anschluss für öffentliche Wechselstrom-Ladesäulen und ein 6,7 Meter langes Heimladekabel für haushaltsübliche Steckdose und den blauen CEE-Anschluss. In Kooperation mit der Firma PVTechnologies GmbH (PVT) ist Ford bei der Installation von Wallboxen für zuhause behilflich, zum Lieferumfang gehört dann auch ein 7,5 Meter langes Ladekabel.
Wie sind die Preise einzuschätzen?
Beim Einstiegspreis von 48.900 Euro liegen einige direkte Konkurrenten darunter, aber Vorsicht: Der Mustang kommt serienmäßig mit 76-kWh-Batterie, das ist bei der Konkurrenz oft schon der große Akku. Mit 55.600 Euro für die 99-kWh-Variante ruft Ford durchaus einen Kampfpreis auf! Generell kann die Elektro-Förderung von 5.000 Euro abgezogen werden.
Wer will, kann den Mustang Mach-E als ersten Ford auch komplett im Internet kaufen, der nächstgelegene Händler bleibt als Betreuer an Bord, wickelt aber auf Wunsch alles online ab.
Das Fazit nach dem ersten Test?
Ford startet spät, aber spektakulär in das elektrische Zeitalter: Das Mustang-SUV ist nicht nur cool, sondern auch bei Batteriekapazität und Ladegeschwindigkeit ganz vorne dabei. Die Eckdaten (bis zu 99 kWh, 610 km, 850 Nm!) lassen Elektro-Fans mit der Zunge schnalzen und haben sich im ersten Praxistest schon mal bewährt. Dafür ist der Preis auch ziemlich gut. Ford mischt sich somit gleich beim ersten Versuch unter die Elektroauto-Elite und kann den Konkurrenten von Tesla, VW, Jaguar und Co. zusetzten.