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GERALD ENZINGER

GERALD ENZINGER

Die Formel 1 belohnt Hirn

Es gibt sie, die Wauuuuu-Momente in der Formel 1. Wenn eine Erfindung alle in den Bann zieht und binnen Minuten gefühlt die ganze Vollgas-Welt nur mehr ein Thema hat. Die revolutionäre Mercedes-Idee mit dem verstellbaren Lenkrad ist so eine. Auch wenn nun 2020 vielleicht Langeweile droht: Innovation ist es, was dieses Sport besonders macht. Und Männer wie James Allison sind der Grund, warum die Formel 1 mit Recht nie eine Einheits-Formel werden sollte.
2020, so glaubten und unkten viele, könnte am Ende der ersten Hybrid-Gesetzesperiode der Formel 1, doch noch die Allmacht von Mercedes gestoppt werden. Denn in allen sechs bisherigen Saisonen dieser Ära hat das Team unter der Regie des Österreichs Toto Wolff alle Titel in der Fahrer- und in der Team-Weltmeisterschaft gewonnen.

Heuer aber könne es soweit sein, dass Max Verstappen – dank frischer Extra-Power von Honda und eines gewohnt guten Red-Bull-Autos – oder Ferrari mit Charles Leclerc oder Sebastian Vettel die silbernen Könige vom Thron stoßen würden. Endlich, wie viele meinten.

Die Saison 2020 hat was von einer Auslaufrunde, viele Teams arbeiten jetzt schon mit Hochdruck an den Boliden für 2021 wo alles wieder auf nahezu null gestellt wird und jeder seine Chance wittert.
Große Innovationen wurden heuer nicht mehr erwartet, schon gar nicht von Mercedes, dem Team das nach einer ganz kurzen Schwächephase im Sommer 2019 am Ende wieder meist dominiert hatte. Eine Evolution des 2019er-Autos würde, so sagten alle, sowieso ausreichen, dass man mit Red Bull und Ferrari auf Augenhöhe kämpfen würde.

Doch dann überraschte Technikchef James Allison schon bei der Präsentation des neuen W11 mit der Aussage, man habe das Paket in gleich drei Punkten radikal geändert: Vorderachse, Hinterachse und Seitenkästen.

Eine erstaunliche Aussage, die zu dem Zeitpunkt noch kaum jemand so recht einschätzen konnte.

Bis nach einigen Dutzend Testkilometern am Donnerstag in Barcelona erste Onboard-Videos von Lewis Hamilton analysiert wurden. Und Fans aus aller Welt gebannt ihren Wauuuu-Moment hatten.
Es war geradezu unglaublich, was man da sah: Hamilton bewegte sein Lenkrad nicht nur nach rechts oder links, sondern zeitweise zog er es zu sich heran oder drückte er es wieder nach vor.

So kann man während des Fahrens die sogenannte Vorspur, den Winkel, in dem die Vorderräder zueinander stehen, ändern. Dadurch kontrolliert man die  Reifentemperaturen besser. Auf langen Geraden kühlen die Vorderreifen in der Regel schnell aus, verlieren rund 20 Grad. In den folgenden Kurven fehlt dann der Grip. Mercedes denkt, dieses Problem durch die Veränderung in den Spureinstellungen zu reduzieren. Konstante Reifentemperaturen und konstanter Grip - das heißt auch: geringerer Reifenverschleiß.

Mercedes nennt das neue System "DAS", eine Abkürzung für "Dual Axis Steering" (Zwei-Achsen-Lenkung).

Die FIA hat das System nach monatelangen Gesprächen mit Mercedes als regulär anerkannt, da nicht wie bei der verbotenen "Active Suspension" der Computer die Veränderung macht, sondern der Fahrer selbst. Zugleich hat man das System sofort für 2021 verboten.

Endgültig über 2020 entschieden werden kann aber erst beim Saisonauftakt in Melbourne, denn dann erst können andere Teams formal  Einspruch erheben. Die Red-Bull-Teams werden das wohl machen, sowohl Helmut Marko als auch Franz Tost bringen Argumente dagegen vor. Marko sieht eine verbotene minimale Veränderung der Bodenfreiheit.

Ferrari sagt dazu gar nichts mehr. Teamchef Binotto wirkt nach der ersten Woche schon wie ein angeschlagener Boxer, der die Saison schon aufgegeben hat. Zumindest am Start werde man hinter Mercedes (und wohl auch hinter Red Bull) sein.

Besonders bitter ist für ihn, das die Entwicklung vom genialen James Allison kommt.
Ein Mann, der bei Lotus große Erfolge hatte und der dann zu Ferrari ging. Wo er gemobbt wurde und der Intrigen bald müde wurde. Als seine Frau tragischerweise plötzlich starb, zog er, auch weil der empathische Teamchef Toto Wolff die richtige Ansprache fand, wieder zurück nach England und er ging zu Mercedes.
Wolff opferte, weil er so sehr an Allison glaubte, sogar den sich am absteigenden Ast befindlichen Paddy Lowe, der zu Williams weitergereicht wurde.

Heute ist Superhirn Allsion das beste Argument, warum die Formel 1 nie zu einer Einheitsformel wie die Formel 2 werden sollte. Denn hier ist noch ein echter Technologie-Wettbewerb im Gang, und das Team mit der besten Idee wird belohnt.

2021 werden wir einen noch spannenderen Ideenwettbewerb erleben, denn immer in Zeiten des Umbruchs haben auch kleinere Teams mit genialen Ideen Chancen.
2009 mit dem WM-Titel für Brawn GP dank eines ebenso genialen wie freilich auch umstrittenen und bald verbotenen Doppeldiffusors ist da noch in bester Erinnerung.

Die Formel 1 bleibt, was sie sein soll: eine WM der genialsten Köpfe.
Blöd nur für Ferrari: Der beste Techniker dort, Mattia Binotto, will unbedingt Teamchef sein und sich im Gegensatz zu James Allison bei Mercedes und zu Adrian Newey bei Red Bull nicht auf die Technik konzentrieren. Sondern wie die in dieser Hinsicht viel besseren Toto Wolff und Helmut Marko auch Politik machen.
Das ist ein Grund, warum Mercedes und auch Red Bull besser geführt sind als die launische Diva aus Maranello.
Toto Wolff holte den genialen James Allison einst von Ferrari zu Mercedes. Ein mehrere Titel sichernder genialer Schachzug.Toto Wolff holte den genialen James Allison einst von Ferrari zu Mercedes. Ein mehrere Titel sichernder genialer Schachzug.
Das übliche Bild: Mercedes vor Ferrari. Warum weil die einen cleverer sind, besser geführt und besser organisiert als die anderen. Punkt.Das übliche Bild: Mercedes vor Ferrari. Warum weil die einen cleverer sind, besser geführt und besser organisiert als die anderen. Punkt.
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