GERALD ENZINGER ÜBER RED BULLS NUMMER 2
Red Bull hat ein Perez-Problem
Der Crash Verstappen vs. Hamilton erregt die Formel 1. Im Schatten davon muss man aber auch einmal den Blick nach weiter hinten richten. Red Bull Racing hat in diesen Tagen wieder einmal ein veritables Nummer-2-Problem. Denn Sergio Perez fällt, jetzt da man ihn besonders brauchen würde, nur mit Flops und Fehlern auf. Und dabei wäre er es gewesen, der am Sonntag den Hamilton-Sieg verhindern hätte müssen.
19.07.2021Fotos: Red Bull Contentpool
Was war das für ein action-geladenes "Premieren"-Wochenende der neuformatierten Formel 1 in Silverstone.
Action am Freitag, am Samstag und dann so richtig am Sonntag – und immer wieder stand das epische Duell Lewis Hamilton vs. Max Verstappen im Mittelpunkt:
- Freitag zauberte Lewis eine atemberaubende Quali-Runde hin, die einmal mehr bewies, was für eine Legende des Sports er ist.
- Samstag konterte Verstappen mit einem Blitzstart trotz Bremsen, aus denen Flammen hervorstachen. Ein abgebrühter, großartiger Rennfahrer.
- Sonntag wurde es im jetzt schon legendären WM-Duell zwischen dem siebenfachen Weltmeister Hamilton und dem 12 Jahre jüngeren Verstappen zum ersten Mal so richtig episch – so grandios verlief die "Battle of Britain" in den ersten Kurven im beinharten Match zwischen den beiden Ikonen des Sports, die (beide!) zum ersten Mal im direkten Duell bereit waren, über die Grenze zu gehen. Am Ende gab es einen heftigen Abflug von Max, dessen Körper mehr als 50g verkraften musste beim heftigen Quer-Einschlag.
Am Ende siegte Hamilton nach einer Zehn-Sekunden-Strafe und nach einer grandiosen Aufholjagd, in der er quasi auf Knopfdruck zehn geniale Runden in Serie produzierte – so etwas können nur die Allergrößten.
Ein Sieg, hochverdient, legendär. Der Jubel: berechtigt, auch in dieser Ausgelassenheit. Zu dem Zeitpunkt hatte Hamilton per Funk die Info, dass Verstappen gesund sei. Er wußte nicht, dass Max noch zur Kontrolle ins Spital musste. Dass Verstappen dann einen entrüsteten Post schrieb über den Jubel von Lewis ist aus seiner Sicht verständlich, er hatte zu dem Zeitpunkt ja auch nicht das ganze Rennen und den ganzen Funkverkehr mitbekommen. Auch wenn wir hier von jenem Verstappen reden, der in Bahrain 2020 noch gemeint hatte, Fahrer, die nach dem Grosjean-Crash an eine Absage des Neustarts dachten, seien "Memmen". Auch wenn Verstappen selbst gerne klare Kante zeigt und verbal austeilt: Man kann seine Enttäuschung verstehen.
Teamchef Christian Horner freilich, der schoß übers Ziel hinaus mit seinen Attacken auf Hamilton. Obwohl er es besser wissen hätte müssen.
Verstappen gilt längst als der gnadenloseste, oft auch schon als der Beste. Niemand geht so rücksichtslos in Duelle. Nun hat ihm einer die Grenzen gezeigt, im Duell der Ausnahmekönner. Ja, Hamilton hat sich diese Strafe verdient – aber kein Unfall hat an den Folgen alleine gemessen zu werden. Dass der Red Bull nach der Berührung derartig spektakulär abfliegt, das war Pech, macht aber im Nachhinein das Vergehen von Hamilton nicht (noch) größer.
Es wird ein heißes, ein episches Duell, diese Saison 2021.
Und damit wären wir jetzt bei etwas, was für Red Bull Racing in diesem Duell zum eigentlichen, gestern komplett übersehenen, Problem werden kann: Sergio Perez.
Denn der war gestern nicht da, als man ihn brauchte – obwohl er genau für solche Momente geholt wurde mit all seiner Routine. Perez hatte im ersten Qualifying-Rennen der Geschichte einen denkwürdigen und dummen Fehler gemacht, sich gedreht. Deshalb musste er von hinten (bzw. dann aus der Box) starten. Und deshalb fehlte er nach dem Crash Verstappens vorne.
Denn dort, wo der großartige Charles Leclerc fuhr, hätte eigentlich auch Perez sein müssen, eigentlich sogar davor. Hätte Perez den Fehler im Quali-Rennen nicht gemacht, hätte Hamilton wohl auch nach seiner Strafe nicht mehr gewinnen können.
So ist Perez Mitschuld an Hamiltons Triumph und an der Tatsache, dass der Mercedes-Pilot so viele Punkte aufholen konnte.
Es ist kein Einzelfall. Schon in Spielberg hatte "Checo" viel zu viele Fehler gemacht, wie so oft in dieser Saison – die nur optisch von seinem (ja doch eher zufälligen) Sieg in Baku in ein gutes Licht gerückt wird. Dabei hätte man in Baku eher sehen müssen, wie chancenlos er auch an diesem Wochenende gegen Verstappen war, bis der seinen Reifenplatzer hatte.
Angesichts seiner Routine ist der von allen geliebte Perez, nüchtern betrachtet, eine Enttäuschung:
1:9 im Trainingsduell gegen Verstappen
104:185 im Punkteduell gegen Max – obwohl der zwei Mal (Baku, Silverstone) unverschuldet Null-Punkte-Rennen hatte.
Das ist zu wenig für einen solchen Routinier, selbst wenn er unter dem radikalen Fahrzeug-Konzeptwechsel von Racing Point zu Red Bull leiden mag. Und auch wenn er sagt: "Ich werde immer besser, 2022 kann ich richtig vorne mitfahren."
Mit Verlaub: das ist zu spät. Red Bull braucht ihn jetzt. So wie Hamilton sich meist auf den so oft geschmähten Bottas verlassen kann. Was Perez fährt, das würden im Moment auch Alex Albon oder Pierre Gasly (vielleicht besser) machen.
In spanischsprachigen Medien wird lanciert, dass Perez trotzdem kurz vor der Vertragsverlängerung bei Red Bull Racing steht. Man kann gespannt sein. Fest steht: Um einen Fahrer zu finden, der gegen Verstappen nicht komplett untergeht und die scheinbar üblichen 0,4 bis 0,6(!) Sekunden/Runde verliert, muss Red Bull größer denken. Und mittelfristig Piloten wie Russell oder Leclerc anstreben. Mit Leclerc ist man angeblich in Kontakt – er könnte aus dem Ferrari-Vertrag Ende 2022 raus, falls das nächste Auto ein Flop ist. Das ist aber unwahrscheinlich.
Aber, und das ist die gute Nachricht: Im Groß-Denken ist das Erfolgs-Modell Red Bull sehr gut. Vielleicht wird es nun Zeit, sich bald mal einen echten Hochkaräter an der Seite von Jahrhundert-Talent Verstappen zu gönnen. Denn weder Routinier Perez noch die Jungen scheinen – angesichts der fehlenden letzten Prozent an Können im Vergleich zu Verstappen – mental in der Lage, als Number-Two-Driver eine gute Nummer 1B zu sein.
Genau so etwas braucht man aber in epischen WM-Duellen.
Action am Freitag, am Samstag und dann so richtig am Sonntag – und immer wieder stand das epische Duell Lewis Hamilton vs. Max Verstappen im Mittelpunkt:
- Freitag zauberte Lewis eine atemberaubende Quali-Runde hin, die einmal mehr bewies, was für eine Legende des Sports er ist.
- Samstag konterte Verstappen mit einem Blitzstart trotz Bremsen, aus denen Flammen hervorstachen. Ein abgebrühter, großartiger Rennfahrer.
- Sonntag wurde es im jetzt schon legendären WM-Duell zwischen dem siebenfachen Weltmeister Hamilton und dem 12 Jahre jüngeren Verstappen zum ersten Mal so richtig episch – so grandios verlief die "Battle of Britain" in den ersten Kurven im beinharten Match zwischen den beiden Ikonen des Sports, die (beide!) zum ersten Mal im direkten Duell bereit waren, über die Grenze zu gehen. Am Ende gab es einen heftigen Abflug von Max, dessen Körper mehr als 50g verkraften musste beim heftigen Quer-Einschlag.
Am Ende siegte Hamilton nach einer Zehn-Sekunden-Strafe und nach einer grandiosen Aufholjagd, in der er quasi auf Knopfdruck zehn geniale Runden in Serie produzierte – so etwas können nur die Allergrößten.
Ein Sieg, hochverdient, legendär. Der Jubel: berechtigt, auch in dieser Ausgelassenheit. Zu dem Zeitpunkt hatte Hamilton per Funk die Info, dass Verstappen gesund sei. Er wußte nicht, dass Max noch zur Kontrolle ins Spital musste. Dass Verstappen dann einen entrüsteten Post schrieb über den Jubel von Lewis ist aus seiner Sicht verständlich, er hatte zu dem Zeitpunkt ja auch nicht das ganze Rennen und den ganzen Funkverkehr mitbekommen. Auch wenn wir hier von jenem Verstappen reden, der in Bahrain 2020 noch gemeint hatte, Fahrer, die nach dem Grosjean-Crash an eine Absage des Neustarts dachten, seien "Memmen". Auch wenn Verstappen selbst gerne klare Kante zeigt und verbal austeilt: Man kann seine Enttäuschung verstehen.
Teamchef Christian Horner freilich, der schoß übers Ziel hinaus mit seinen Attacken auf Hamilton. Obwohl er es besser wissen hätte müssen.
Verstappen gilt längst als der gnadenloseste, oft auch schon als der Beste. Niemand geht so rücksichtslos in Duelle. Nun hat ihm einer die Grenzen gezeigt, im Duell der Ausnahmekönner. Ja, Hamilton hat sich diese Strafe verdient – aber kein Unfall hat an den Folgen alleine gemessen zu werden. Dass der Red Bull nach der Berührung derartig spektakulär abfliegt, das war Pech, macht aber im Nachhinein das Vergehen von Hamilton nicht (noch) größer.
Es wird ein heißes, ein episches Duell, diese Saison 2021.
Und damit wären wir jetzt bei etwas, was für Red Bull Racing in diesem Duell zum eigentlichen, gestern komplett übersehenen, Problem werden kann: Sergio Perez.
Denn der war gestern nicht da, als man ihn brauchte – obwohl er genau für solche Momente geholt wurde mit all seiner Routine. Perez hatte im ersten Qualifying-Rennen der Geschichte einen denkwürdigen und dummen Fehler gemacht, sich gedreht. Deshalb musste er von hinten (bzw. dann aus der Box) starten. Und deshalb fehlte er nach dem Crash Verstappens vorne.
Denn dort, wo der großartige Charles Leclerc fuhr, hätte eigentlich auch Perez sein müssen, eigentlich sogar davor. Hätte Perez den Fehler im Quali-Rennen nicht gemacht, hätte Hamilton wohl auch nach seiner Strafe nicht mehr gewinnen können.
So ist Perez Mitschuld an Hamiltons Triumph und an der Tatsache, dass der Mercedes-Pilot so viele Punkte aufholen konnte.
Es ist kein Einzelfall. Schon in Spielberg hatte "Checo" viel zu viele Fehler gemacht, wie so oft in dieser Saison – die nur optisch von seinem (ja doch eher zufälligen) Sieg in Baku in ein gutes Licht gerückt wird. Dabei hätte man in Baku eher sehen müssen, wie chancenlos er auch an diesem Wochenende gegen Verstappen war, bis der seinen Reifenplatzer hatte.
Angesichts seiner Routine ist der von allen geliebte Perez, nüchtern betrachtet, eine Enttäuschung:
1:9 im Trainingsduell gegen Verstappen
104:185 im Punkteduell gegen Max – obwohl der zwei Mal (Baku, Silverstone) unverschuldet Null-Punkte-Rennen hatte.
Das ist zu wenig für einen solchen Routinier, selbst wenn er unter dem radikalen Fahrzeug-Konzeptwechsel von Racing Point zu Red Bull leiden mag. Und auch wenn er sagt: "Ich werde immer besser, 2022 kann ich richtig vorne mitfahren."
Mit Verlaub: das ist zu spät. Red Bull braucht ihn jetzt. So wie Hamilton sich meist auf den so oft geschmähten Bottas verlassen kann. Was Perez fährt, das würden im Moment auch Alex Albon oder Pierre Gasly (vielleicht besser) machen.
In spanischsprachigen Medien wird lanciert, dass Perez trotzdem kurz vor der Vertragsverlängerung bei Red Bull Racing steht. Man kann gespannt sein. Fest steht: Um einen Fahrer zu finden, der gegen Verstappen nicht komplett untergeht und die scheinbar üblichen 0,4 bis 0,6(!) Sekunden/Runde verliert, muss Red Bull größer denken. Und mittelfristig Piloten wie Russell oder Leclerc anstreben. Mit Leclerc ist man angeblich in Kontakt – er könnte aus dem Ferrari-Vertrag Ende 2022 raus, falls das nächste Auto ein Flop ist. Das ist aber unwahrscheinlich.
Aber, und das ist die gute Nachricht: Im Groß-Denken ist das Erfolgs-Modell Red Bull sehr gut. Vielleicht wird es nun Zeit, sich bald mal einen echten Hochkaräter an der Seite von Jahrhundert-Talent Verstappen zu gönnen. Denn weder Routinier Perez noch die Jungen scheinen – angesichts der fehlenden letzten Prozent an Können im Vergleich zu Verstappen – mental in der Lage, als Number-Two-Driver eine gute Nummer 1B zu sein.
Genau so etwas braucht man aber in epischen WM-Duellen.
Sergio Perez. Nach zehn Rennen fällt die Bilanz gegen Max Verstappen ernüchternd aus.
Horner herzt Perez nach dem Sieg in Baku – doch es wäre an der Zeit, die Nummer-2-Frage bei Red Bull mal neu zu denken.
Dieses Bild aus Spielberg zeigt, wo Perez am Sonntag sein hätte müssen: in der Nähe von Leclerc. Dann hätte Hamilton nicht mehr gewonnen.
Perez verblasst völlig gegen Verstappen – wie davor es auch Albon und Gasly schon taten. Nur: die waren da noch halbe "Kinder".