FABIAN STEINER ÜBER DEN FIAT-CHRYSLER-MANAGER
Marchionnes schwieriges Erbe
Die Londoner City war ihm näher als Turin und Detroit: Sergio Marchionne wird als genialer Finanzmanager in die Autogeschichte eingehen. Als Autobauer war er weniger begabt.
07.08.2018Fotos: Werk
Sergio Marchionne war nicht der Typ Mensch, der sich unter den Nussbaum legt. Seinen „Ruhestand“ hatte er sich deshalb schon entsprechend vorbereitet: Als Konzernlenker von Fiat Chrysler (FCA) wollte er 2019 – nach 15 Jahren an der Spitze – zwar aufhören, dem bisherigen Nebenjob als Ferrari-Präsident aber umso mehr Zeit widmen. So sah Altersteilzeit nach dem Geschmack von Sergio Marchionne aus. Leider kam es dazu nicht, Marchionne verstarb im Juli 2018 in einem Züricher Spital. Als Todesursache wird Krebs kolportiert, bestätigt ist das nicht.
Die Ära Marchionne wird in die Autogeschichte eingehen – und sie ist dennoch zwiespältig: Der Italo-Kanadier war der vielleicht smarteste Finanzmanager, den die Autobranche je gesehen hat. Als Industrieller, also als Autobauer, war er aber weniger erfolgreich.
Lässt man die letzten 14 Jahre Revue passieren, stößt man auf geniale Finanzdeals: Als Fiat 2004 schwerstens verschuldet war, ließ sich Marchionne die Scheidung von General Motors mit 1,55 Milliarden Euro vergolden. Aus der Pleite ein Geschäft zu machen, das trägt die Handschrift der Finanzwelt – und wäre einem herkömmlichen Finanzvorstand aus der Autobranche vermutlich nicht einmal in den Sinn gekommen. Marchionne hatte Fiat gerettet und fädelte fünf Jahre später ein noch viel kühneres Geschäft ein: Als in den USA der Chrysler-Konzern vor der Pleite stand, übernahm ihn Marchionne mit dem selbst schwer verschuldete Fiat-Konzern praktisch ohne Bargeld einzusetzen. Das treibt jedem Investmentbanker die Tränen in die Augen. Es folgte die finanziell sehr erfolgreiche Überführung der Nutzfahrzeugsparte (CNH Industrial) und des Sportwagengeschäfts (Ferrari) in eigene Aktiengesellschaften. Für die Analysten der Londoner City war Marchionne ein Held.
Marchionne häufte mit seinen Deals ein kolportiertes Eigenvermögen von rund 300 Millionen Euro an, was er freilich auch verdient hat. Der Wert von Fiat Chrysler und all seiner Ausgliederungen verzehnfachte sich in seiner Ära von sechs auf 60 Milliarden Euro. In der Geschichte der Fiat-Eigentümerfamilien Agnelli und Elkann wird Sergio Marchionne vermutlich einen ganz besonderen Ehrenplatz bekommen.
Trotz der finanziellen Erfolge hinterlässt Marchionne aber ein schwieriges Erbe. Denn in die Rolle des Industriellen, also des Autobauers, ist er nie so richtig hineingewachsen – das zeigt ein Blick auf das ausgedünnte Modellprogramm.
Bei Fiat konzentriert sich alles auf den Fiat 500 (dem in über zehn Jahren trotzdem kein echter Generationswechsel vergönnt war) und den 500X. Mit dem Punto ist ein Klassiker ausgelaufen, der Panda hätte im SUV-Zeitalter mehr Potenzial. Die Premiummarke Lancia wurde gestrichen, man ließ alle Modelle auslaufen. Alfa litt lange unter komplettem Neuheiten-Stopp, jetzt gibt es mit Giulia und Stelvio wieder zwei Hoffnungsträger. Maserati wächst mit dem Erfolgsmodell Levante relativ gesehen stark, hat im Vergleich mit anderen Premiummarken aber noch Exotenstatus. Jeep läuft am US-Markt gut, in Europa bemüht sich vor allem der Renegade um den Imagewandel der Marke. Fazit: Dass der Gesamtkonzern FCA aktuell gut verkauft, liegt am gut laufendem US-Automarkt, nicht am Modellprogramm.
Dass mit einem stringenten Modellprogramm und laufend spannenden Neuheiten ein rasanter Aufstieg möglich ist, haben im Premiumbereich zum Beispiel Land Rover, Mini und Volvo gezeigt, der erfolgreich abgeschlossene Ausbau von BMW, Audi und Mercedes zu hochpreisigen Volumenmarken ebenso. Dass man vom Kleinwagen- zum ertragreichen Volumenhersteller umsteigen kann, hat wiederum Peugeot vorgemacht. Kia und Hyundai haben sich ebenfalls fest am europäischen Markt etabliert.
Wo Fiat, Alfa und Lancia heute stehen würden, wenn sie VW-Marken geworden wären, ist ein interessantes Gedankenspiel. Zuletzt kursierten immer mal wieder Spekulationen über einen Verkauf der italienischen Marken an den Hyundai-Kia-Konzern. Vielleicht gibt es bald wieder einen spektakulären Deal.
Die Ära Marchionne wird in die Autogeschichte eingehen – und sie ist dennoch zwiespältig: Der Italo-Kanadier war der vielleicht smarteste Finanzmanager, den die Autobranche je gesehen hat. Als Industrieller, also als Autobauer, war er aber weniger erfolgreich.
Lässt man die letzten 14 Jahre Revue passieren, stößt man auf geniale Finanzdeals: Als Fiat 2004 schwerstens verschuldet war, ließ sich Marchionne die Scheidung von General Motors mit 1,55 Milliarden Euro vergolden. Aus der Pleite ein Geschäft zu machen, das trägt die Handschrift der Finanzwelt – und wäre einem herkömmlichen Finanzvorstand aus der Autobranche vermutlich nicht einmal in den Sinn gekommen. Marchionne hatte Fiat gerettet und fädelte fünf Jahre später ein noch viel kühneres Geschäft ein: Als in den USA der Chrysler-Konzern vor der Pleite stand, übernahm ihn Marchionne mit dem selbst schwer verschuldete Fiat-Konzern praktisch ohne Bargeld einzusetzen. Das treibt jedem Investmentbanker die Tränen in die Augen. Es folgte die finanziell sehr erfolgreiche Überführung der Nutzfahrzeugsparte (CNH Industrial) und des Sportwagengeschäfts (Ferrari) in eigene Aktiengesellschaften. Für die Analysten der Londoner City war Marchionne ein Held.
Marchionne häufte mit seinen Deals ein kolportiertes Eigenvermögen von rund 300 Millionen Euro an, was er freilich auch verdient hat. Der Wert von Fiat Chrysler und all seiner Ausgliederungen verzehnfachte sich in seiner Ära von sechs auf 60 Milliarden Euro. In der Geschichte der Fiat-Eigentümerfamilien Agnelli und Elkann wird Sergio Marchionne vermutlich einen ganz besonderen Ehrenplatz bekommen.
Trotz der finanziellen Erfolge hinterlässt Marchionne aber ein schwieriges Erbe. Denn in die Rolle des Industriellen, also des Autobauers, ist er nie so richtig hineingewachsen – das zeigt ein Blick auf das ausgedünnte Modellprogramm.
Bei Fiat konzentriert sich alles auf den Fiat 500 (dem in über zehn Jahren trotzdem kein echter Generationswechsel vergönnt war) und den 500X. Mit dem Punto ist ein Klassiker ausgelaufen, der Panda hätte im SUV-Zeitalter mehr Potenzial. Die Premiummarke Lancia wurde gestrichen, man ließ alle Modelle auslaufen. Alfa litt lange unter komplettem Neuheiten-Stopp, jetzt gibt es mit Giulia und Stelvio wieder zwei Hoffnungsträger. Maserati wächst mit dem Erfolgsmodell Levante relativ gesehen stark, hat im Vergleich mit anderen Premiummarken aber noch Exotenstatus. Jeep läuft am US-Markt gut, in Europa bemüht sich vor allem der Renegade um den Imagewandel der Marke. Fazit: Dass der Gesamtkonzern FCA aktuell gut verkauft, liegt am gut laufendem US-Automarkt, nicht am Modellprogramm.
Dass mit einem stringenten Modellprogramm und laufend spannenden Neuheiten ein rasanter Aufstieg möglich ist, haben im Premiumbereich zum Beispiel Land Rover, Mini und Volvo gezeigt, der erfolgreich abgeschlossene Ausbau von BMW, Audi und Mercedes zu hochpreisigen Volumenmarken ebenso. Dass man vom Kleinwagen- zum ertragreichen Volumenhersteller umsteigen kann, hat wiederum Peugeot vorgemacht. Kia und Hyundai haben sich ebenfalls fest am europäischen Markt etabliert.
Wo Fiat, Alfa und Lancia heute stehen würden, wenn sie VW-Marken geworden wären, ist ein interessantes Gedankenspiel. Zuletzt kursierten immer mal wieder Spekulationen über einen Verkauf der italienischen Marken an den Hyundai-Kia-Konzern. Vielleicht gibt es bald wieder einen spektakulären Deal.
Marchionnes Zeit bei Fiat: Geniale Finanzdeals, aber zu wenig Impulse im Autobau selbst.
Früher im Managerlook mit Anzug und Krawatte…
…später wurde der Pullover Marchionnes Markenzeichen.