ERSTER TEST: CUPRA ATECA 2020
Spanische Reitschule
In Zeiten, die charaktervolle Nebendarsteller wie Rover, Saab oder Lancia unverdient abgeworfen haben, eine neue Marke zu gründen, ist ein mutiges Unterfangen. Die VW-Tochter Seat wagt Ende 2017 dennoch den Split und stellt sich selbst Cupra – davor die Bezeichnung ihrer sportlichen Topmodelle – zur Seite. Der Plan scheint aufzugehen – in den ersten beiden Jahren gingen über 40.000 Stück der neuen Performance-Marke über die Ladentische. Noch heuer folgt mit dem Formentor das erste eigenständige Modell, das ausschließlich als Cupra angeboten wird, der vollelektrische Renner el-born startet 2021.
Was ist neu am aufgefrischten Cupra?
Das wichtigste zu Beginn: An der Leistungsschraube wurde nicht gedreht – es bleibt bei 300 PS und 400 Newtonmetern Drehmoment. Für den Sprint von Null auf den ersten Hunderter braucht der Über-Ateca jetzt aber dennoch drei Zehntelsekunden weniger als bisher – dank ausgefeilterer Motor-Getriebe-Abstimmung, frisch adaptierter Launch-Control und Abgasreinigung der neuesten Generation. Äußerlich beschränkt sich das Update auf ein geändertes Scheinwerfer-Layout und eine Frontschürze mit wuchtigeren Lufteinlässen an den Flanken, über denen nun die Nebelscheinwerfer sitzen. Der Cupra-Schriftzug in der Mitte des Wabengitters entfällt, er hat einer umfangreicheren Sensoreinheit für die Assistenzsysteme Platz gemacht. Am Heck sind die Änderungen etwas für Suchbild-Fans – sie beschränken sich auf etwas Kosmetik am Diffusor. Drinnen sind die neueste Version des digitalen Cockpits und einem zentralen 9,2 Zoll Infotainment-Schirm eingezogen, die Navigation passiert jetzt online, die Handy-Verbindung über Android Auto und Apple Car Play kabellos. Die beiden auffälligsten Neuerungen hat der Pilot vor- und unter sich: Das Lenkrad mit Startknopf plus Direkt-Aktivierung des Cupra-Modus und die passgenauen Schalensitze. Dazu trumpft das Volant mit den CI-gerecht kupferfarbenen Applikationen auch optisch auf.
Lässt sich der Cupra Ateca noch weiter personlasieren?
Dem Anspruch der dynamisch orientierten Kundschaft folgend hat Cupra ein paar zusätzliche technische Goodies in der Waffenkammer: Die am öftesten georderte Option wird wohl die feine Auspuffanlage aus dem Hause Akrapovic sein – man fährt ja auch mit dem Ohr. Der vierrohrige Sound ist echt, ehrlich und kernig, wird aber niemals lästig – außer vielleicht den Nachbarn. Dazu im Technik-Köcher: Das beste, das Brembo derziet in dieser Größenordnung anbietet, die Sättel wiederrum markenkonform kupferfarbig lackiert – wer die 300 PS ausgiebig traben lässt, wird das noch massivere Zupacken, das auch nach heißesten Ritt kein Fading kennt, zu schätzen wissen.
Wie vertragen sich die 300 PS mit dem hohen Schwerpunkt eines SUVs?
Tatsächlich hervorragend. Natürlich haben die Ingenieure tief in die Trickkiste gegriffen: Federn, Dämpfer-Rate, Bereifung – alles darauf ausgerichtet, das Manko der relativ gesehen höheren Karosserieposition auszugleichen. Bei der Bodenfreiheit muss der Ateca so natürlich zurückstecken, in ernsthaftes Gelände wird sich mit dem Cupra aber ohnehin niemand begeben. Die Tuning-Eingriffe machen sich aber bezahlt: Die straffe Federung bleibt auch bei harten Schlägen von der Fahrbahnoberfäche komfortabel, springt also nicht und garantiert daher durchgehenden Bodenkontakt und Traktion. Mit den 300 Pferden wirkt der Ateca daher nie überfordert, sondern einfach nur gut ausgelastet. Apropos Traktion: Der Allradantrieb deutet bei hohem Tempo und allzu forschem Einlenken in die Kurven nur minimales Untersteuern an – und putzt dann sofort selbsttätig aus. Mehr ist beim Konzept der von vorne nach hinten laufenden Kraftverteilung nicht rauszuholen. Bei umgekehrtem Kraftfluss könnte die Hinterachse den Bewegungsmelder geben, derzeit bleibt es im VW-Konzern aber für alle Marken bei der bekannten Variante.
Genau so läuft es. Die Direktaktivierung des Cupra-Modus am Volant schärft das Motor- und Getriebemanagement, öffnet die Atemwege und strafft die Muskeln. Gasannahme in Echtzeit, präzise Lenkkommandos, knappe Schaltfrequenzen der 7-Gang-Doppelkupplungsautomatik. Wer es noch direkter will, sortiert die Gänge über die Lenkrad-Paddles manuell und in Echtzeit. Dann ist der Cupra endgültig voll in seinem Element in dem Betriebszustand, für den er konstruiert wurde. Spätestens hier zeigt sich, wie unverzichtbar die optionale Akrapovic-Auspuffanlage ist: Den herzzerreißend röchelnden und schnalzenden Soundtrack braucht’s einfach.
Der bisherige Einstandspreis von knapp 50.000 Euro wird zum Marktstart Anfang Oktober wohl etwas steigen, um wieviel genau, ist noch nicht bekannt. Mit ein paar Extras, vor allem dem Akrapovic-Gedärm und den Brembo-Bremsen wird die Endsumme wohl mit einem Sechser beginnen. Das klingt nach viel Holz, allerdings setzt Cupra bei der Serienmitgift auch konzernuntypisch hoch an – was der heiße Katalane von Beginn weg an Bord hat, muss anderswo erst mit vielen Kreuzen in der Aufpreisliste konfiguriert werden.
Fazit der ersten Testfahrten mit dem Cupra Ateca 2020?
Mehr Spaß in einem Kompakt-SUV ist kaum zu bekommen. Das höchste Lob, dass sich der Cupra Ateca verdient, ist der dynamische Rhythmus, mit dem er auf hohem Niveau die Kurvenabfolgen durchfliegt. Den überträgt er praktisch selbstverständlich auf seinen Fahrer – und sofern der nicht völlig gefühllos gegenüber solchen Impulsen ist, muss er nichts anderes tun, als sich darauf einzulassen.