ERSTER TEST: SEAT TARRACO
Das Volumenmodell
Das Segment der höhergelegten Geländekombis, wie man Sports Utility Vehicles vielleicht am ehesten übersetzen könnte, ist nach wie vor der Absatzmarkt mit den größten Zuwächsen. Da will klarerweise auch Seat ein ordentliches Stück vom Kuchen. Als neues Top-of-the-Line-Modell komplettiert der 4,73 Meter lange Tarraco daher als großer Bruder des Arona (4,14 Meter) und des Ateca (4,36 Meter) die spanische SUV-Familie nach oben. Das Auto macht hausintern dem seit 2010 gebauten, 2015 überarbeiteten und 4,85 Meter langen Alhambra Konkurrenz, konzernintern ist der große Seat die Antwort auf die in den Maßen weitgehend identen Skoda Kodiaq und VW Tiguan Allspace. Alle drei Modelle basieren auf dem Modularen Querbaukasten (MQB) – bekanntermaßen Basis für eigentlich eh alle VW-, Audi-, Skoda- und Seat-Produkte. Bei Tiguan, Kodiaq und Tarraco kommt zu MQB noch das Kürzel LWB (Long Wheel Base) dazu: Selbsterklärend und auch logisch, bei einem Radstand von opulenten 2,79 Meter. Von dem die hinten mitreisenden Passagiere in Form von üppig vorhandener Bein-, Ellbogen- und Kopffreiheit profitieren. Genauso standesgemäß groß ist das Cargo-Abteil, das zwischen 760 und bei umgelegten Rücksitzen maximal 1920 Liter Ladegut schluckt. Wird der Tarraco als 7-Sitzer bestellt, sinkt das Ladevolumen auf das Niveau eines Kleinwagens – das ist aber kein spezielles Tarraco-Problem, sondern eines, das alles SUV dieser Welt haben.
Seat ist unglaublich erfolgreich – was sind die Gründe für den Aufschwung?
Die spanische VW-Dependance ist die Überraschungsmarke des Jahres: Seat hat bereits zu Jahresbeginn 2018 Platz Drei in der heimischen Markenwertung erobert und diese Position seither erfolgreich verteidigt. Knapp 18.000 Neuzulassungen (+15,2 Prozent) und 5,7 Prozent Marktanteil (+0,7 Prozent) bedeuten neuen Rekord. Es ist zu erwarten, dass es weiter rasant aufwärts gehen wird, kommt doch nächstes Jahr der neue Leon auf den Markt. Ebenfalls `19 kommt eine Plug-in-Hybridversion des Tarraco mit 210 PS, 400 Newtonmeter einer elektrischen Reichweite von rund 50 Kilometern auf den Markt, detto ein Modell mit CNG-Gas-Antrieb. Mit einem reinen E-Auto wird 2020 zu rechnen sein, das auf der Basis des brandneuen Modularen Elektrik-Baukastens (MEB) entstehen soll.
Worauf bezieht sich die Modellbezeichnung?
Namen von spanischen Orten, Städten oder Inseln haben bei Seat eine schöne wie ebenso lange Tradition – uns fallen da beispielsweise Ibiza, Marbella, Cordoba, Leon, Toledo, Malaga oder Ronda ein. Tarraco bezieht sich auf eine römische Kolonie auf der iberischen Halbinsel und entspricht dem heutigen Tarragona, einer 130.000 Einwohner zählenden Hafenstadt in Katalonien im Nordosten Spaniens. Die Modellbezeichnung wurde von rund 140.000 Fans der Marke ausgewählt, die an der Endrunde der Namensfindungskampagne Seat-Seeking-Name teilgenommen haben.
Worin unterscheidet sich das Styling des Tarraco von den anderen Modellbrüdern?
Seat behauptet, dass 65 Prozent aller SUV-Interessenten ihre Kaufentscheidung anhand des Designs treffen. Wenn das stimmt, dann hat der Tarraco gute Chancen, ein erfolgreiches Modell zu werden. Der 6-eckige Kühlergrill in Wabendesign verleiht dem Auto viel optische Präsenz, die hohe Fahrzeugfront vermittelt kraftvolle Robustheit. Die Scheinwerfer sind gleichwohl markentypisch, die verwinkelten Rahmen des LED-Tagfahrlichts ebenso. Charakterlinien, Sicken und Kanten sorgen für schöne Licht-Schatten-Effekte, flächige LED-Rückleuchten mit wischenden Blinkern, herausmodelliertes Heck und ein Diffusor sorgen hinten für einen stämmigen Auftritt.
Rein ins Cockpit – was fällt im Innenraum auf?
Bei der Gestaltung des Cockpits hat es Seat geschickt verstanden, den Kostendruck zu kaschieren – es gibt zwar Hartplastik an der Mittelkonsole, an den Türverkleidungen und im Fußraum, anderseits hinterlassen Holzoptik und Softtouch-Materialien einen ebenso soliden wie guten Eindruck. Dazu kommt ein freistehender, tabletartiger 8-Zoll-Touchscreen mit berührungssensitiver Oberfläche. Die Bedienung erfolgt (dankenswerterweise) über zwei Drehknöpfe oder – ebenso problemlos und intuitiv – per Finger-Tipp. Analoge Instrumente gehören im großen Spanier der Vergangenheit an, alle Anzeigen – auch jene im 10,2 Zoll messenden zentralen Kombi-Instrument - sind digital. Das Cockpit ist im übrigen völlig frei von Überraschungen und überzeugt aber mit durchdachter Funktionalität.
Wie sieht das Motorenangebot aus?
Ab Marktstart – bei uns ab Anfang Februar – offeriert Seat zwei Benziner und zwei Diesel. Als Einstiegsbenziner fungiert der 1,5 TSI mit 150 PS und COD-Technik (Cylinder on Demand, dabei geht’S um eine temporäre Zylinderabschaltung), darüber rangiert ein 2,0 TSI mit 190 PS. Bei den Selbstzündern müssen sich Tarraco-Interessenten zwischen zwei 2,0 TDI entscheiden: Die schwächere Variante leistet 150 PS und 340 Newtonmeter, die Topversion 190 PS und 400 Newtonmeter. Die 190-PS-Aggregate (sowohl Benzin als auch Diesel) sind immer mit Allradantrieb und 7-Gang-Direktschaltgetriebe (DSG) ausgestattet, die Basisantriebsquellen mit Frontantrieb sind an manuelle 6-Gang-Schaltgetriebe gekoppelt. Der 150-PS-Diesel lässt sich auf Wunsch mit Allradantrieb und DSG kombinieren.
Wie schaut’s bei der Abgasreinigung aus?
Nun, Seat-Mutter Volkswagen hat mit dem Dieselskandal eine Menge Unheil angerichtet und den Selbstzünder in eine ungute Außenseiterposition gedrängt. Es verwundert also nicht, dass Seat alles daransetzt, dem Tarraco saubere, daher umweltfreundliche Abgastechnologie mit auf den Weg zu geben. Die Benziner sind also folgerichtig mit Partikelfilter ausgestattet, der Diesel verfügt über SCR-Katalysator samt AdBlue-Harnstoff-Zusatz. Alles Motoren sind nach der erst im Herbst kommenden Jahres obligatorischen Euro 6d-Temp-Norm homologiert.
Wie fährt sich der Tarraco?
Nun ja – wie sich ein leer 1,8 Tonnen schweres SUV halt so fährt. Ernsthaft: Die Gleichteile-Politik birgt den Nachteil – wenn es denn einer ist -, dass es einigermaßen scherfällt, Unterschiede zwischen Tiguan und Kodiaq herauszufiltern. Wenn man also irgendwas gegen den Tarraco sagen will, dann sicher das, dass sich der große Ibero-SUV nicht anders fährt als die Pendants aus Deutschland und Tschechien. Auch was das Fahrverhalten betrifft, überrascht der Spanier nicht wirklich – somit bleiben aber auch Enttäuschungen erspart: Der Tarraco fährt sich agil (Wendekreis: 11,9 Meter), geschmeidig und – für ein SUV – leichtfüßig, die Lenkung arbeitet ebenso direkt wie präzise, die Abstimmung von Federn und Dämpfern geriet einigermaßen straff, bleibt aber dennoch auf der komfortablen Seite. Etwas mehr Antrittskraft hätten wir von der von uns probierten Diesel-Topversion erwartet, die 190 PS, Allradantrieb und DSG kombiniert. Zügiges Einfädeln auf der Autobahn-Einschleifspur gelingt besser, wenn der Tarraco-Pilot ebenso vorausschauend wie vorsorglich in den manuellen Schaltmodus gegangen und den dann passenden (niedrigen) Gang vorgewählt hat.
Softroader oder Offroader?
Bewusst und freiwillig werden sich 99 Prozent aller Besitzer eines 4x4-Tarraco wohl niemals auf einen Offroadparcours begeben. Wenn doch, ist es für den Seat-Piloten kein Grund, die Nerven wegzuschmeißen: Per Drehknopf auf der Mittelkonsole Offroad-Fahrprogramm wählen, Bergabfahrhilfe aktivieren, 360-Grad-Kamera einschalten und los geht’s. Dann beweist der große Spanier verblüffend gute Geländeeigenschaften – auch ohne Reduktionsgetriebe oder Differenzialsperren.
Welche Ausstattungen stehen zur Wahl?
Der übrigens bei VW in Wolfsburg und nicht im katalanischen Martorell gebaute Groß-SUV ist bereits jetzt bestellbar und feiert das Österreich-Debüt auf der am 10. Jänner `19 beginnenden Vienna Auto Show. Ab Februar kommenden Jahres wird er mit zwei Ausstattungslinien – Style und Xcellence – angeboten, die Basislinie Reference ist nicht erhältlich. Preise gibt’s vorderhand nur für zwei Modellvarianten: Der Basis-Benziner (Style, 1,5 TSI/150 PS) kostet, inklusive gratis E-Roller (!), 33.490, Euro, wer schon jetzt bestellt, kommt in den Genuss des sogenannten Frühbucherbonus und zahlt nur 29.990,- Euro. Der Basisdiesel (Style, 2,0 TDI/150 PS) kommt auf 37.790,-. Alle anderen Preise sind noch Gegenstand intensiver Verhandlungen zwischen Importeur und Werk und werden bis zum Start der Markteinführung nachgereicht.