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GERALD ENZINGER

GERALD ENZINGER

KTM & MotoGP als Vorbild

KTM war am Ende einer atemberaubenden MotoGP-Saison die Nummer 1. Mit diesen sensationellen Leistungen werden die Oberösterreicher den Rennsport verändern. Denn auch die Formel 1 kann von KTM und von der extrem engen MotoGP-Serie wichtige Lehren für die Zukunft ziehen.
Beeindruckender hätte KTM eine unvergessliche MotoGP-Saison nicht beenden können. Auf der spektakulären Achterbahn von Portimao holte sich Hausherr Miguel Oliveira die Pole Position, die Schnellste Runde – und den zweiten Sieg seiner Karriere.
In beiden Fällen waren es Heimsiege. Denn auch in Österreich verbringt er viel Zeit – im Red-Bull-Trainingscenter in Thalgau, in Mattighofen bzw. Muntefering beim KTM und wenn es seine Zeit erlaubt, dann sieht er sich Österreichs schönste Plätze als Tourist an – sei es an einem See oder in der Wiener Hofburg.

Wie Kaiser dürfen sich im Moment auch die Mitarbeiter von KTM fühlen – sensationell wie erfolgreich diese Durchbruch-Saison geworden ist. Am Ende verpasste man als Vierter nur um vier Punkte Platz 2 in der Konstrukteurs-WM. Und mit drei Siegen (Binder Brno, Oliveira in der Steiermark und Portugal) und Platz 5 in der Fahrer-WM durch Pol Espargaro stand das K in "KTM" heuer ebenso für "Konstanz" wie auch für "Klasse".

„Es ist unfassbar, was sich da bei uns abspielt. Auf unterschiedlichen Strecken, mit unterschiedlichen Piloten – das ist der Beweis für unsere harte Arbeit, die wir das ganze Jahr abspulen.“ Pit Beirer, der Sportchef von KTM, kann die Tiefe und Breite des Erfolges richtig einordnen – KTM hatte in dieser in jeder Hinsicht verrückten Saison nicht das Glück des Tüchtigen, sondern die Klasse eines Tüchtigen, der jahrelang auf diesen Erfolg hingearbeitet hat – im wahrsten Sinn des Wortes Hundertstel für Hundertstel.

Als KTM-Boss Stefan Pierer am Grid von Portimao beim Interview mit Servus-TV-Moderatorin Andrea Schlager stand, schien selbst der nüchterne Erfolgsmanager gerührt: "Es ist noch nicht lange her, da hatten wir drei Sekunden Rückstand und waren in der letzten Reihe – und nun gehen wir nach vor, weil wir in der Pole Position sind."

Manche im Team hätten es sich vielleicht gewünscht, dass dort Pol Espargaro gewesen wäre – der Spanier wird KTM in Richtung Repsol Honda verlassen und trotz fünf Podiums-Platzierungen hat er nie ein Rennen gewonnen. Dabei sind seine Verdienste für KTM als Pilot des Aufbaus kaum in Zahlen auszudrücken.

Vielleicht aber war die Triumphfahrt von Miguel Oliveira (der nicht gerade ein Freund von Pol ist, seit sie in Spielberg aneinander gerieten) auch das von der Symbolik bessere Zeichen.

Denn die Erfolge von Oliveiras 2020er-Team Tech3 KTM sind auch ein persönlicher Triumph für Beirer, der damit den Motorsport revolutioniert hat, ein bisschen zumindest. Denn als die Franzosen vor zwei Jahren als Kundenteam von Yamaha zu KTM wechselten, hatte Beirer eine klare Vision: "Ich wollte, dass das Kundenteam die selben Voraussetzungen hat wie das Werksteam. Denn wenn sie schon unsere Motorräder bekommen, dann doch die besten und die gleichen, die wir haben." Denn: "Dadurch können wir mit vier Bikes Erfahrungen sammeln statt mit zwei und doppelt so schnell aufholen."

Ein im Motorsport ziemlich neuer Gedanke. Bislang hatten Werksteams in der MotoGP, aber auch in  der Formel 1 durchaus Interesse daran, dass ein Kundenteam nicht zu gut aussieht.
Jeder Erfolg des kleineren Teams stellt schließlich die Effizienz der eigenen Arbeit in meist größeren und teureren Werks-Abteilungen in Frage.
Red Bull KTM und Beirer aber hatten den Mut, Tech3 als gleichwertigen Partner zu behandeln. Und das Konzept von der "doppelten Entwicklung" ging auf, auch weil beide gemeinsam in ein sehr starkes Testteam rund um Dani Pedrosa investierten.

Heuer war es prompt auch bei Yamaha, Honda oder Ducati so, dass immer wieder das "B-Team" erfolgreicher war. In Portimao standen fünf Kunden-Motorräder auf den ersten fünf Startplätzen. Alle haben gesehen, wir richtig und wie wegweisend das KTM-System ist.

Möglich, dass die Formel 1 davon lernen kann. Dr. Helmut Marko hat im Zuge der Copygate-Debatte um Racing Point schon mit dem Gedanken gespielt, dass Red Bull Racing und Alpha Tauri künftig quasi gleichwertige Autos einsetzen könnten. (Was Stand heute regeltechnisch in der F1 nicht möglich ist, es aber eines Tages werden könnte).

Durch die KTM-Idee ist die MotoGP bunter geworden und interessanter. Ist es nicht aufregend zu sehen, wie ein Franco Morbidelli den Werks-Piloten Rossi und Vinales um die Ohren fährt, wie Ducati fast immer von Privat-Fahrern gerettet werden muss? Es führt auch dazu, dass der Pool der Podiumsfahrer dramatisch größer geworden ist. Vielfalt, Spannung und Abwechslung stimmen beim Produkt MotoGP.

Davon könnte sich übrigens die Formel 1 auch anderweitig beeinflussen lassen – auch wenn die Zahl der Podiumsfahrer in der Königsklasse des Automobilsports heuer ungewöhnlich groß ist (12!). Aber die MotoGP hat mit gewissen Rahmenbedingungen (etwa Einschränkung der Elektronik und der Aerodynamik) den kleineren Teams eine faire Chance gegeben, einzusteigen bzw. aufzuholen. Zudem hatten sie diverse Privilegien.

Das wäre auch in der Formel 1 sinnvoll. Nur so wird man neue Hersteller oder wenigstens neue Teams gewinnen können – wobei hier bis 2025 sowieso wenig passieren wird. Aber die MotoGP inspiriert zumindest.

Wie übrigens auch Red Bull: 2020 konnten sowohl beide Formel-1-Teams gewinnen als auch die beiden besonders nahe stehenden KTM-MotoGP-Teams. Eine bemerkenswerte Leistung.


Aktuelle Anmerkung: Beirer, Andrea Dovizioso, der in Portimao bärenstarke Stefan Bradl und Alex Hofmann sind heute ab 21.15 Uhr Gast bei "Sport und Talk" auf Servus TV. Moderiert wird die Sendung von MotoGP-Insider Christian Brugger.
Blicke sagen mehr aus 1000 Worte. Wer sieht wie sich Blicke sagen mehr aus 1000 Worte. Wer sieht wie sich "KTM-Abgänger" Pol Espargaro und KTM-Sportchef Pit Beirer trotz Trennung verstehen, beginnt einen zentralen Teil des KTM-Erfolges zu verstehen.
Die Leistung von Miguel Oliveira, KTM und Tech3 am Wochenende in Portimao war das Dominanteste und Beeindruckendste, was die MotoGP-Weltmeisterschaft 2020 an einem einzelnen Renn-Weekend zu bieten hatte.Die Leistung von Miguel Oliveira, KTM und Tech3 am Wochenende in Portimao war das Dominanteste und Beeindruckendste, was die MotoGP-Weltmeisterschaft 2020 an einem einzelnen Renn-Weekend zu bieten hatte.
Österreich und Portugal: Miguel Oliveira hatte 2020...Österreich und Portugal: Miguel Oliveira hatte 2020...
...zwei Heimstrecken. Auf beiden gewann der KTM-Pilot....zwei Heimstrecken. Auf beiden gewann der KTM-Pilot.
Abschied in Style and Smoke: Pol Espargaro gewann nie mit KTM, geht aber als zentrale Fahrerpersönlichkeit der MGP-Anfangsjahre in die Geschichte der Oberösterreicher ein.Abschied in Style and Smoke: Pol Espargaro gewann nie mit KTM, geht aber als zentrale Fahrerpersönlichkeit der MGP-Anfangsjahre in die Geschichte der Oberösterreicher ein.
KTM-Urgestein Mika Kallio durfte am Ende der Saison noch einmal als Ersatzfahrer ran – eine schöne Geste für seine Verdienste. (Fotos oben und unten).KTM-Urgestein Mika Kallio durfte am Ende der Saison noch einmal als Ersatzfahrer ran – eine schöne Geste für seine Verdienste. (Fotos oben und unten).
Brad Binder schrieb mit seinem Sieg in Brno Geschichte - der Südafrikaner ist sauschnell, aber noch fehleranfällig. Mit seinem Langzeit-Buddy Oliveira sollte er aber 2021 ein extrem starkes Duo bei Red Bull KTM bilden. (Bilder oben und unten)Brad Binder schrieb mit seinem Sieg in Brno Geschichte - der Südafrikaner ist sauschnell, aber noch fehleranfällig. Mit seinem Langzeit-Buddy Oliveira sollte er aber 2021 ein extrem starkes Duo bei Red Bull KTM bilden. (Bilder oben und unten)
Der große Moment: Miguel Oliveira gewinnt seinen Home-Grand-Prix auf der atemberaubenden Rennstrecke in Portimao.Der große Moment: Miguel Oliveira gewinnt seinen Home-Grand-Prix auf der atemberaubenden Rennstrecke in Portimao.
..und das drei Jahre nachdem Rookie KTM noch 2, 3 Sekunden Rückstand auf die Top-Teams hatte – aber jede Menge Visionen und Zuversicht. Hier 2017 u.a. mit KTM-Boss Stefan Pierer, Mike Leitner, Heinz Kinigadner, Hubert Trunkenpolz und Pit Beirer am Red Bull Ring...und das drei Jahre nachdem Rookie KTM noch 2, 3 Sekunden Rückstand auf die Top-Teams hatte – aber jede Menge Visionen und Zuversicht. Hier 2017 u.a. mit KTM-Boss Stefan Pierer, Mike Leitner, Heinz Kinigadner, Hubert Trunkenpolz und Pit Beirer am Red Bull Ring.
Die Herren Bradl und Dovizioso rasen direkt vom Duell in Portimao zu Servus TV - und sind Gäste bei Sport und Talk.Die Herren Bradl und Dovizioso rasen direkt vom Duell in Portimao zu Servus TV - und sind Gäste bei Sport und Talk.
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