ERSTER TEST: RANGE ROVER EVOQUE CABRIO
Wie sinnvoll ist ein offenes SUV?
Ganz ehrlich: Haben wir auf ein SUV-Cabrio gewartet?
Ganz ehrlich: Nein. Aber andererseits: Wenn eine Luxuslimousine wie die S-Klasse und ein Kleinwagen wie der Mini ohne Dach auskommen darf, warum nicht auch ein SUV? Und seit sogar Roadster wie Mercedes SLC oder Audi TT einen Dieselmotor anbieten, ist in der Cabriowelt ohnehin nichts mehr heilig.
Gut, aber sieht das Auto nicht seltsam aus?
Klar, das liegt an der hohen Gürtellinie, die typisch für SUV ist. Beim Coupé wird dieser mächtige Wagenkörper durch die flache Dachlinie und die kleinen Fenster konterkariert – das funktioniert beim Cabrio natürlich nicht. So bleibt eine riesige metallische Badewanne über. Immerhin besitzt der Evoque viele nette Details und einen grimmigen Blick, das lockert die Masse auf. Und letztlich: Das Evoque Cabrio ist mit diesem Look unverwechselbar, mehr braucht man zum Design nicht zu sagen.
Warum bauen die Briten überhaupt ein Evoque Cabrio?
Dazu muss man wissen, dass die Kassen prall gefüllt sind. Jaguar Land Rover ist erfolgsverwöhnt, hat in den letzten fünf Jahren seinen Auto-Absatz verdoppelt und den Umsatz sogar verdreifacht. Hauptträger dieses Erfolgs ist der Evoque. Aus dieser Sicht ist zu verstehen, dass die Briten (im Besitz der indischen Tata-Gruppe) mutiger werden und neue Wege gehen: mit dem ersten SUV für Jaguar (F-Pace) oder eben mit einem Cabrio für den Bestseller Evoque.
Dann kommen wir zur Performance. Das Cabrio war ja ursprünglich nicht geplant – muss man daher befürchten, dass die Umbauten halbherzig passiert sind?
Nein, keineswegs. Die Land-Rover-Ingenieure haben den Unterboden gewissenhaft verstärkt, damit das fehlende Dach keine Verwindungen zur Folge hat. Nachteil dieser dicken, zusätzlichen Streben: Das Cabrio ist gut 200 Kilo schwerer als das Coupé, das drückt auf die Fahrleistungen und hebt den Verbrauch. Aber der Job ist trotzdem gut gelungen: Man spürt keine Verwindung, kein Karosserie-Zittern. Und das Fahrwerk profitiert auch von der neuen Steifigkeit: Das Abrollverhalten ist ganz souverän, der Evoque kann in den Kurven schön steif sein, aber bei Unebenheiten brav federn.
Und das Dach selbst? Ist ja ein riesiges Teil ...
Stimmt, es ist eines der längsten Cabriodächer der Welt. Aber es funktioniert geschmeidig, lässt sich in 18 Sekunden per Knopfdruck versenken und in 22 Sekunden wieder aufsetzen. Auch während der Fahrt bei Geschwindigkeiten bis 48 km/h. Im geschlossenem Zustand zeigt sich das mehrlagige Stoffverdeck übrigens äußerst gut gedämmt, da muss man bei erlaubten Autobahntempi keine Einbußen gegenüber dem Stahldach hinnehmen. Erst ab gut 140 km/h treten ein paar Windgeräusche auf.
Und bei offener Fahrt? Zieht es da?
Auch hier haben die Techniker gut gearbeitet. Bei montiertem Windschott über den Fondsitzen – eine Grundbedingung! – und hochgefahrenen Seitenscheiben treten keine Turbulenzen oder Dröhngeräusche auf. Man kann auch fein auf der Autobahn düsen.
Kommen wir zu einem leidigen Cabriothema: dem Kofferraum ...
Hm, das wirft auch hier Probleme auf: 251 Liter sind wirklich bescheiden, immerhin sind die Wände die Höhle ganz glatt und der Kofferraumdeckel schwingt weit auf – dass hilft. Auch eine Durchladeöffnung für Ski gibt’s. Aber wenn man weitere Reisen unternimmt, wird man wohl eine große Tasche auf die Rücksitze stellen müssen. Schade, dass man dafür nicht die Lehnen nach vorne klappen kann, damit man die Lederbezüge schont (wie etwa im BMW 4er Cabrio). So sollte man besser eine Decke benutzen.
Kann man Freunden die Fondsitze antun?
Klar, Urlaubsreisen will man hier nicht abstottern. Aber für kurze Strecken sitzt man hier schon halbwegs menschlich. Der Knackpunkt ist die Kniefreiheit – für Kinder passt es demnach auf jeden Fall. Oder wenn vorne kleinere Passagiere die Sitze weit zum Instrumententräger rücken.
Wenn ich schon ein SUV fahre, dann sollte es auch halbwegs im Gelände fit sein – vor allem ein Range Rover mit seinem Offroadmythos. Wie gut schlägt sich das Cabrio in dieser Hinsicht?
Der Evoque ist kein Hardcore-Offroader, auch nicht als Coupé und Fünftürer. Aber er ist auch kein weichgespülter Pseudo-4x4. Wir konnten bei der Präsentation ein paar Offroad-Sektionen befahren, außerdem eine Skipiste mit tiefem Schnee und sind verblüfft, wie gut stark sich hier das Cabrio ins Zeug legt. Natürlich helfen hier neben dem serienmäßigen Allradantrieb und brauchbarer Böschungswinkel auch die elektronischen Assistenten: Das Terrain-Response-System, ein optionaler Watttiefensensor oder die All-Terrain Progress Control (ATPS), die man um 305 Euro Aufpreis bekommt. Damit lässt sich eine beliebige Geschwindigkeit bis 33 km/h vorwählen und das Auto hält sie dann automatisch – bergab oder bergauf. Man kann sich damit aufs Lenken konzentrieren, während sich der Evoque im Kriechgang über Hindernisse quält oder durch den Morast wühlt. Funktioniert!
Wie sieht das Motorenprogramm aus?
Für das Cabrio sind vorerst zwei Diesel (2,0 TD4/150 PS und 2,0 TD4/180 PS) sowie der Turbobenziner Si4 (2,0/240 PS) verfügbar. Alle Motoren sind an ein Neun-Stufen-Automatikgetriebe gekoppelt. Wir haben den 180-PS-Diesel ausprobiert und würden ihn uneingeschränkt empfehlen. Dank der guten Dämmung trieb man ihm alles Dieselige aus und das dicke Drehmoment von 430 Newtonmeter kann man bei dem stattlichen Eigengewicht von knapp zwei Tonnen gut brauchen. Beschleunigung: 10,2 Sekunden; Topspeed: 195 km/h. Gesamtverbrauch: 5,7 Liter. Realverbrauch: Man rechne mit 8 Liter.
Mit dem Infotainmentsystem bei Range Rover/Land Rover waren wir zuletzt nicht zufrieden: Altvaterische Grafik, langsames Ansprechverhalten. Hat sich da etwas getan?
Allerdings. Im Evoque Cabrio debütiert das neue InControl Touch Pro – ein hypermodernes Infotainmentsystem mit breitem 10,2-Zoll-Touchscreen (das zukünftig auch bei den Hartdach-Evoque und anderen Rangies/Landies Einzug hält). Die Bedienung funktioniert wie bei einem Smartphone, die Auflösung ist exzellent, das Feedback auch gut. Außerdem wird hier die Connectivity auf ein neues Niveau gehoben, ein echter Fortschritt. Man kann beispielsweise Routen zu planen und dann durch Synchronisierung mit dem Smartphone direkt ins InControl einspeisen. Allerdings ist in der Ausstattung SE Dynamic (im Cabrio die Basisversion) nur der Bildschirm mit dem 380-Watt-Soundsystem und der Bluetooth-Freisprechfunktion serienmäßig. Bei HSE Dynamic ist dann bereits das Navi integriert. Will man die Connectivity-Funktionen nutzen (oder das Auto per App bedienen), dann muss man weitere Pakete als Extras ordern. Einziger kleiner Haken: Bei geöffnetem Dach und Sonne von hinten wird der Kontrast flau, zudem spiegelt der Bildschirm – man braucht dann schon Adleraugen, um die Infos zu erkennen.
Wie sieht die Preisposition aus?
Der Frischluftgenuss kostet im Evoque rund 6000 Euro – so viel muss man für ein Cabrio mehr zahlen als für ein gleichwertig motorisiertes und ausgestattetes Coupé. Los geht’s ab 56.100 Euro, dafür bekommt man aber auch schon mehr als nur eine Basisversion: Leder, elektrische Sitze, 18-Zoll-Leichtmetallfelgen oder das tolle Soundsystem sind hier schon an Bord.
Bleibt noch Zeit für ein Resümee ...
Hat man sich erst an das ungewöhnliche Auftreten gewöhnt, dann erkennt man auch rasch die Vorzüge des Evoque Cabrio: das erhöhte Sitzen, das entspannte Fahren, die Sicherheitsreserven dank des exzellenten Allradsystems. Mit der guten Dämmung, dem hervorragenden Fahrwerk und dem feinen Dieselmotor ist der Evoque ein wunderbarer Gleiter, was ja ganz hervorragend zum Grundcharakter eines Cabrios passt. Unterm Strich hat uns der Evoque ehrlich überrascht: Dass man aus einem SUV ein dermaßen prächtiges Cabrio zaubern kann, hätten wir nie vermutet. Bei diesem gelungenen Einstand ist es anzunehmen, dass er in dieser Konfiguration nicht lange allein bleiben wird.
Range Rover Evoque Cabrio
Stand April 2016
SE Dynamic
2,0 TD4 150 PS 9G-Aut. 4WD € 56.100,–
2,0 TD4 180 PS 9G-Aut. 4WD € 59.300,–
2,0 Si4 240 PS 9G-Aut. 4WD € 64.900,–
HSE Dynamic
2,0 TD4 150 PS 9G-Aut. 4WD € 63.000,–
2,0 TD4 180 PS 9G-Aut. 4WD € 66.000,–
2,0 Si4 240 PS 9G-Aut. 4WD € 72.400,–