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FORMEL1: FERRARIS KRISE

FORMEL1: FERRARIS KRISE

Fliegt bei Ferrari nun der Chef?

Die Asia-Wochen der Formel 1 haben Ferrari aller Titelträumen beraubt. Jetzt dürften Köpfe rollen.
Wie ist die Bilanz der jüngsten drei Rennen in Asien für Ferrari?
Desaströs wäre untertrieben. Wir notieren: In Singapur, wo die Italiener als haushohe Favoriten vor einem Pflichtsieg standen, waren Vettel und Räikkönen Opfer und Täter der Startkollision. Beim Qualifying in Sepang ging Vettels brandneuer Motor in Q1 hoch, der Deutsche musste von hinten starten und so war sein waghalsiger Ritt auf Platz 4 bestenfalls Schadenbegrenzung. Das nun aber Räikkönen (Klarer Auftrag: Siegen um Hamilton Punkte zu stehlen) das Triebwerk k.o ging, das zeigte wie sehr Ferrari ein Problem mit der Standfestigkeit hat.
In den Stunden danach erkannte man den feinen Unterschied zwischen Mercedes und Ferrari. Während Sieger-Teamchef Toto Wolff eher angefressen angesichts des mangelnden Speeds seiner Boliden war und „hochkonzentriertes Arbeiten“ einforderte, hatte man in weiten Teilen Ferraris das Gefühl, dass man sich nach wie vor als WM-Geheimfavorit fühlte und den Rückstand halt schnell mal durch ein paar Siege aufholen würde.
Nun ist es mit der Träumerei aber vorbei: Sonntag in Suzuka schied Vettel schon wieder aus, diesmal war eine defekte Zündkerze die Ursache. Damit ist die WM vier Rennen vor Schluß gelaufen, Hamilton könnte schon in Austin Weltmeister werden. Die nackten Zahlen dokumentieren, wie sich die ewige Schreckensmeldungen von Asien nach Maranello in der WM ausgewirkt haben.

Man beachte das WM-Duell Vettel vs. Hamilton in Punkten und aus der Sicht des Deutschen

Nach Belgien: Vorsprung + 7 Punkte
Nach Italien: Rückstand -3 Punkte
Nach Singapur: Rückstand -28 Punkte
Nach Malaysia:  Rückstand -34 Punkte
Nach Japan: Rückstand - 54 Punkte

Was war der Grund für den Ausfall von Vettel auf seiner Herzens-Rennstrecke in Suzuka?
Kuroserweise war ausgerechnet ein Teil aus Japan Schuld am Drama! Eine Zündkerze von NGK, die bereits bei der Fahrt von der Box zur Startaufstellung erste Aussetzer hatte. Das Wissen um die Probleme nutzte nichts. In der Kürze der Zeit war es unmöglich, die Kerze zu wechseln. Denn diese sind derart schwer zugänglich in den Untiefen des V6-Motors untergebracht, dass das in dieser Zeit nicht möglich ist - denn man hätte die gesamte Airbox herausheben müssen. So wurde Vettel ohne Tausch auf die Reise und in das Rennen geschickt. Er versuchte es immer wieder, durch Veränderungen an mehreren Einstellungen wieder zu voller Power zu kommen - doch vergebens. Nach 23 Kilometern war der Versuch endgültig gescheitert. Eine sportliche Katastrophe in einem absoluten Alles-oder-Nichts-Rennen.

Was bedeutet das für die Ferrari-Chefetage?
Vielleicht schon bald das Aus. Präsident Sergio Marchionne ist kein Zauderer, beileibe nicht. Schon vergangenen Winter hatte man das Gefühl, dass er Teamchef Maurizio Arrivabene kalt stellen will - doch dann setzte Vettel - für viele unerwartet - zu einem sensationellen Saisonstart an und rettete so Arrivabene den Job. Aber je mehr Mercedes wieder die Oberhand bekam, desto grantiger wurde das Alpha-Tier im Fiat-Konzern. Vor allem als es beim Heimrennen in Monza schief ging. Ausgerechnet zu Hause und bei den Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag der Marke war Vettel im Qualifying plötzlich um 1,1 Sekunden langsamer als Hamilton und in Ferrari das ganze Wochenende über chancenlos. „Wir haben es selbst verbockt“, zürnte Marchionne - der in der Schweiz übrigens im selben Dorf lebt wie Vettel. Jetzt spricht er schon wieder von „Konsequenzen“, auch von personellen. Man kann sich nicht sicher sein, dass Arrivabene in seiner zweiten Heimat, in den USA, noch am Kommandostand von Ferrari ist.

Wie ist Maurizio Arrivabene zu seinem Traumjob gekommen?
Nachdem es unter Stefano Domenicali immer mehr zum Bruch bei Ferrari kam, und das Lager des Teamchefs und das von Star-Pilot Fernando Alonso Tag für Tag de facto im Krieg lagen, musste Domenicali gehen. Doch sein Nachfolger Marco Mattiaci erwies sich rasch als kapitaler Fehlgriff. Also setzte Ferrari in seiner Not auf einen Manager aus dem eigenen Umfeld. Arrivabane kam im November 2014 vom Tabakriesen Philip Morris, er war immer der Mann gewesen, der Ferrari die grandiosen Marlboro-Deals (Kohle trotz Tabak-Werbeverbots) zukommen hatte  lassen. Arrivabene ist umgänglich und locker, aber er hat sich auch zunehmend Feinde gemacht: So ist die Medienpolitik von Ferrari zunehmend so, dass Vettel und Räikkönen fast gar nichts mehr sagen sollen und müssen, kritische 1:1-Interviews sind nahezu unmöglich. Nicht gerade das, wie man sich bei den neuen Formel-1-Eigentümern eine professionelle Vermarktung der Meisterschaft vorstellt.

Hat Vettel noch eine Chance, die WM 2017 zu drehen?
Realistisch betrachtet - nein. Denn sein Problem ist nicht nur der enorme Rückstand, sondern vor allem die enorme Standfestigkeit des Wolff-Teams. Seit 18 Rennen hat Hamilton in Serie gepunktet - höchst unwahrscheinlich, dass er nun zwei Mal ausfällt. Und selbst wenn das passiert und Vettel zwei Mal siegt, ist der Deutsche immer noch sieben Punkte zurück. Kein Wunder, dass Vettel gleich nach dem Rennen die erste mögliche Maschine nahm, um Asien zu verlassen. Dort wo er fast alle seine WM-Titel gesicher hatte, wollte das Glück nun nichts mit ihm zu tun haben.
Kann Ferrari die WM 2017 noch drehen? Realistisch betrachtet - nein.Kann Ferrari die WM 2017 noch drehen? Realistisch betrachtet - nein.
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