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Test: Opel Corsa-e Rally

Test: Opel Corsa-e Rally

Endlich Watt zum Spielen!

Wer sagt, dass Elektro-Autos keinen Spaß machen, wenn sie nicht absurde Leistungsdaten haben? Der Opel Corsa-e Rally zeigt, wie es anders geht: Serien-Motor und -Akku, alles raus, was unnötig ist, dafür Käfig, strammes Fahrwerk und eine hydraulische Fly-Off-Handbremse rein – fertig ist die Gaudi-Maschine erster Güte. Und jetzt raus auf die Piste!
Ernst bei Seite
Also ehrlich: Dieser ganze bierernste Weltrettungs-Rucksack, den sich die E-Mobilität umschnallt – das drückt doch irgendwie auf's Gemüt. Ein wenig Spaß würde der Sache wirklich gut tun und vielleicht auch so manche natürlich gewachsene Ablehnungs-Hürde überwinden helfen. Hat sich Opel eventuell auch gedacht – und aus dem elektrischen Corsa ein Auto für den Kunden-Clubsport gebastelt. Was jetzt irgendwie nach Hinterhof-Werkstatt und Improvisieren klingt – tatsächlich ist der Corsa-e Rally aber ein hochprofessionell aufgebautes Gerät um nach Herzenslust über die Schottenpisten und Waldwege zu heizen. Still und leise, wohlgemerkt – weil ganz ohne brüllenden Motor. Aber dazu kommen wir noch.
 
Was ist drin – und was nicht mehr?
Alles, was nicht unbedingt notwendig ist, musste raus – Parole: Gewicht sparen. Natürlich lassen sich die Akku-Kilos nicht wegvasektomieren und die rund 1,5 Tonnen für die Kampf-Ausführung sind am Ende auch fast gleich wie beim Straßenfahrzeug. Unterfahrschutz, Käfig und Feuerlöschsystem machen den Gewichtsgewinn der Entrümpelung wieder wett. Als unnützer Ballast wurden aber etwa vollwertige Türverkleidungen erkannt, der Bremskraftverstärker, die Mittelkonsole, Teppiche, Rückbank und alles Dämm-Material. Nachgerückt sind ein griffiges Sportlenkrad ohne unnötigen Multifunktions-Kram und etwas, was wir in heutigen Autos generell schmerzlich vermissen: Eine g'standene Handbremse statt dem ärgerlichen Elektro-Parkbremsdings. Warum? Weil eine richtige Handbremse – überhaupt in der hier verbauten, arretierungsfreien Fly-Over-Variante – vor allem eines ist: Eine grandiose Lenkunterstützung für Kurven, die eindeutig zu eng für das Wunschtempo sind. Verändert wurden auch die Fahrprogramme: Es gibt jetzt Trocken, Nass und Eco. Erstere selbsterklärend, die letzte für stromsparendes Fahren auf Verbindungsetappen zwischen den Wertungs-Prüfungen einer Rally. Nicht mehr dabei: ABS und ESP. Vermisst hier auch keiner, Ehrenwort!
Kampfanzug: Im Werks-Trimm brettert der Opel Corsa-e im weiß-schwarz-gelben Sport-Dress über die Feldwege.Kampfanzug: Im Werks-Trimm brettert der Opel Corsa-e im weiß-schwarz-gelben Sport-Dress über die Feldwege.
Die Schmiede-Felgen halten was aus, die Bremsen sind servo-los.Die Schmiede-Felgen halten was aus, die Bremsen sind servo-los.
Monte-Sieger Timo Schulz begleitet das Gastspiel des Corsa-e Rally.Monte-Sieger Timo Schulz begleitet das Gastspiel des Corsa-e Rally.
Erst einmal losgelassen fliegt der Corsa geradezu über die Schotterwege.Erst einmal losgelassen fliegt der Corsa geradezu über die Schotterwege.
Fahrwerk vom Spezialisten
Bilstein ist seit Jahrzehnten einer der großen Player auf dem Fahrwerkssektor und bei Straßen- wie auch Wettbewerbsfahrzeugen eine der weltweit besten Adressen. Beim Corsa-e waren als Faktoren zu beachten: Das Gewicht, das es solide abzufedern gilt und der verhältnismäßig kurze Radstand, wegen dem ein Mindestmaß an Federweg erhalten bleiben muss, um kein Springen und Bocken zu verursachen. Mission erfüllt – der Corsa-e beweist auf der Schotterpiste erstklassige Stabilität, meistert Kuppen, Wellen und auch kurze Schläge problemslos und zeigt auch auf festem Untergrund tadellose Präzision.
 
Knowhow von Rally-Crack Manfred Stohl
Manfred Stohl war einer der ersten, die bereit waren, den E-Antrieb auch im Motorsport einzusetzen. Die Offenheit für hat sich mittlerweile bezahlt gemacht: Stohl ist dank seiner dualen Kompetenz als Rennfahrer und Techniker heute eine Fixgröße in der Entwicklung von elektrischen Wettbewerbsfahrzeugen und hat auch beim Corsa-e Rally maßgeblich mit Hand angelegt. Davon abgesehen ist er laufend an der Entwicklung eigener und von Auftragsprojekten beteiligt. Einige davon können im reinsten Wortsinn auch abheben: Eine bemannte Drohne hat erst kürzlich erfolgreich ihren Jungfernflug absolviert. War der Umstieg von einem konventionellen Antrieb auf ein E-Rally-Auto schwierig? „Eigentlich gar nicht.“, sagt Manfred Stohl. „Das E-Auto ist einfach sensibler wegen des sofort anliegenden Drehmoments und verhält sich wegen des batteriebedingt tiefen Schwerpunkts anders, aber sogar besser.“ Klingt das nicht leichter, als es tatsächlich war? „Ein Rennfahrer ist glücklich, wenn das Auto läuft und die Zeiten passen.“ meint Stohl dazu lachend. „Auf das kommt es jedem von uns an. Womit es passiert, ist dann nur halb so wichtig.“
Der Arbeitsplatz in der Wettbewerbs-Version des Corsa-e ist einigermaßen minimalistisch – was es braucht, ist aber drin und dran.Der Arbeitsplatz in der Wettbewerbs-Version des Corsa-e ist einigermaßen minimalistisch – was es braucht, ist aber drin und dran.
Die Fahrmodi wurden dem Bedraf angepasst.Die Fahrmodi wurden dem Bedraf angepasst.
Die Mittelkonsole? Als unnützer Ballast erkannt.Die Mittelkonsole? Als unnützer Ballast erkannt.
Das Argument gehört zum fixen Repertoire bei jeder E-Auto-Präsentation: Der Vorteil des niedrigen Schwerpunkts. Dem tief, also in der Bodenplatte sitzenden Akku geschuldet. Rein physikalisch richtig, das Batteriegewicht wiegt das Schwerpunkt-Plus im Alltag aber wieder auf. Im Grenzbereich, mehr oder weniger das natürliche Habitat des Rally-Autos verhalten sich die Dinge aber anders: Hier ist der tiefe Schwerpunkt ein echter Bonus, der das ganze Fahrverhalten maßgeblich beeinflusst. Verbessert, muss es Stohl-gemäß tatsächlich heißen, weil gerade ein kleines Auto wie der Corsa damit auffallend an Stabilität gewinnt. Was ihm außerdem hilft: Die Gewichtsverteilung ist beim E-Antrieb besser – weil der Motor weniger Kilos auf die Vorderachse packt und das Getriebe praktisch ganz entfällt. Der Sport-Stromer ist also ein echter Balance-Star – und das macht auf der Piste einen extremen Unterschied.
 
Ready? Go!
Du sitzt in Renn-Overall, Helm und H-Gurt in einem rudimentären Cockpit, drückst den Startknopf und es passiert – nichts. Der E-Auto-Schock funktioniert in dieser Umgebung tatsächlich immer noch. Auf einem Gitter-Sockel aus Metall haben sie den originalen Wählhebel für vorwärts und rückwärts montiert, schaut irgendwie Cyborg-mäßig aus. Wir sind jetzt die Borg, mit Gruß an Captain Piccard und Seven-Of-Nine. Die Sitzposition ist weit hinten und tief, das Lenkrad steht viel weiter ins Cockpit als beim Serienauto. Beim Anfahren hebt auch nicht mehr an, als ein flirrendes Summen – wer schon einmal einer mittelprächtig gelaunten Hornisse näher gekommen ist, kennt das. Der Rally-Cosa zieht ruckfrei los, ein paar mal Hin- und Herlenken um ein Gefühl für die Überstetzung am Volant zu bekommen. Fürs Protokoll: Deutlich direkter als im zivilen Corsa. Zwei, drei Bremsversuche, ebenfalls fürs Eingrooven auf die Eigenheiten. Hier erst einmal Überraschung: Ohne Bremskraftverstärker ist viel mehr Fußkraft gefragt als erwartet – aber mit würde der kleine Bolide ständig überbremsen. Also was für Samtpfoten mit strammem Wadl.
Nur quer bist wer: Der Rally-Corsa bewegt sich dank hervorragender Fahrzeugbalance extrem leichtfüßig um die Mittellage.Nur quer bist wer: Der Rally-Corsa bewegt sich dank hervorragender Fahrzeugbalance extrem leichtfüßig um die Mittellage.
Ab durch die Mitte
Erst einmal losgelassen fliegt der Corsa geradezu über die Schotterwege. Dass an der Motorleistung nicht geschraubt wurde, erweist sich als durchaus sinnvoll: Die 136 PS lassen sich problemlos ausfahren – für einen Nicht-Profi reichen sie als schiere Leistung allemal und wer es wirklich kann, holt mit Fahrtechnik zusätzlich raus, was geht. Dabei dreht sich der kompakte Rally-Corsa mit einer Selbstverständlichkeit in die Kurven, für die es bei einem thermisch angetriebenen Kollegen deutlich mehr Aufwand bräuchte – hier spielen der berüchtigte tiefe Schwerpunkt und die Fahrzeugbalance ihre Stärken aus. Also ein Fronttriebler, bei dem sich die Hinterachse tatsächlich auch aktiv mitbeteiligt, einfach weil das Kräftespiel an Bord sie automatisch involviert.
 
Kurvensau Corsa
Die erste enge Kurve, Hurra! Endlich darf die Handbremse ran. Beißt sofort, der Popsch pendelt raus wie im Bilderbuch – aber zu früh losgelassen, der Elektro-Corsa greift vorne viel rascher, als ein Benziner, da arbeiten die Balance und das Immer-Da-Drehmoment Hand in Hand. Manfred Stohl hat wahr gesprochen – what else? Bei der nächsten Hairpin bleibt der Fly-Over-Stecken länger gezogen und ein Heck geht nach Westen, einen Herzschlag zu lang, aber auch das Verzeihen von Fehlern gehört zu den Tugenden des Corsa-e – er lässt sich spielerisch am Pedal wieder einfangen, als wär’s nix. Runde für Runde klappt die ganze Chose besser, die Staubwolke hängt stolz am Heck wie ein riesiger lehmfarbener Rasenmäher-Sack. So schön kann Feinstaub sein!
Trocken-Übung: Dem Rally-Corsa reichen 136 Serien-PS um damit fein Staub aufzuwirbeln.Trocken-Übung: Dem Rally-Corsa reichen 136 Serien-PS um damit fein Staub aufzuwirbeln.
Der Leise-Bonus
Es gibt einen zusätzlichen Effekt: Die Geräuschlosigkeit. Also bis auf das Dauerfeuer-Prasseln der Steine am Unterboden. Aber ganz im Ernst: Wenn da vorne ein Turbo-Aggregat heult und röchelt, dazu am Auspuff die Fanfarenstöße plärren, peitscht dich das gnadenlos auf. Jedenfalls, wenn du sonst nicht gerade Lastenrad-Fahrer aus Überzeugung bist. Mit anderen Worten: In so einem klassischen Soundtrack fährst du dich in Rage und machst unweigerlich leichter Fehler. Als unabgebrühter Nicht-Profi passiert dir das halt. Im Corsa-e fällt der akustische Boost weg – also volle Konzentration auf das Fahren selbst, auf jeden Handgriff und jedes Fuß-Kommando. Wenn deinen Puls was beschleunigt, dann das Gefühl einer richtig gut genommenen Passage. Tut auch gut, sehr sogar! Ungeprüfte Theorie: Von elektrischen Kunden-Cupfahrzeugen kommen mehr heil ins Ziel als von denen mit brüllendem Benziner an Bord.
 
Die Rennserie
Opel betreibt die offiziell ADAC Opel e-Rally Cup genannte Serie in der dritten Saison. Derzeit sind 17 Fahrzeuge dabei, gefahren werden heuer acht Läufe in vier Ländern, unter anderem etwa die Weiz-Rally in der Steiermark am 14. und 15. Juli. Drei Läufe finden im Rahmen der deutschen Rally-Meisterschaft statt. Weil der Umbau zum Wettbewerbs-Auto auf maximale Verwendung von Originalteilen ausgelegt ist, ist der Corsa-e Rally auch ein relativ günstiger Einsteiger für den Motorsport: 54.900 Euro Komplettreis für das einsatzfähige Gerät ist zwar kein Kleingeld, aber auch weit weg von großen Summen, die für solche Projekte sonst zu veranschlagen sind.
Zelten für Bleifüße: Das Opel Corsa-e Driving Camp gastierte auf den Harrach-Gütern nahe Pachfurt.Zelten für Bleifüße: Das Opel Corsa-e Driving Camp gastierte auf den Harrach-Gütern nahe Pachfurt.
Rennfahrer und Techniker: Rallye-Legende Manfred Stohl.Rennfahrer und Techniker: Rallye-Legende Manfred Stohl.
Opel Motorsport Direktor Jörg Schrott.Opel Motorsport Direktor Jörg Schrott.
Der Corsa-e Rally fährt mit dem Motor und Akku des Serienfahrzeugs. Sonst kommt alles raus, was unnötig ist, dafür Käfig, strammes Fahrwerk und eine hydraulische Fly-Off-Handbremse rein. Das Wettbewerbs-Auto ist ein relativ günstiger Einsteiger für den Motorsport: 54.900 Euro Komplettreis.Der Corsa-e Rally fährt mit dem Motor und Akku des Serienfahrzeugs. Sonst kommt alles raus, was unnötig ist, dafür Käfig, strammes Fahrwerk und eine hydraulische Fly-Off-Handbremse rein. Das Wettbewerbs-Auto ist ein relativ günstiger Einsteiger für den Motorsport: 54.900 Euro Komplettreis.

DATEN & FAKTEN

Opel Corsa-e Rally

(Juli 2023)

Preis

54.900 Euro.

Antrieb

1 Synchron E-Motor, 136 PS, 260 Nm Drehmoment.

46 kWh Lithium-Ionen-Batterie (netto).
1-Gang Direktüberstzung, Vorderradantrieb.

Abmessungen

Länge 4.060 mm / Breite 1.765 mm / Höhe 1.435 mm. Radstand 2.538 mm.

Gewicht

Eigengewicht ca. 1500 kg.

Fahrwerte

Höchstgeschwindigkeit 150 km/h, Beschleunigung 0 – 100 km/h in 8,7 Sekunden (Asphalt).
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