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JEAN-PIERRE JABOUILLE

JEAN-PIERRE JABOUILLE

F1-Legende Jabouille: Unser letztes Interview

Jean-Pierre Jabouille war eine Legende. Bei Renault. Und in der Geschichte der Formel 1. Der erste Mensch, der mit einem turbo-getriebenen Auto Rennen gewann. Und ein Fahrer, der auch der Konstrukteur hätte sein können. Eine Inspiration für die Ewigkeit. Nun ist er im Alter von 80 Jahren verstorben. Zur Erinnerung bringt motorprofis.at noch einmal ein Interview mit Jean-Pierre Jabouille aus dem Jahr 2019.
Jean-Pierre Jabouille war der erste Pilot, der einen Formel-1-Grand-Prix gewonnen hat mit einem Auto, das von einem Turbo-Motor angetrieben wurde.
1979 siegte er in einem Renault in Dijon - und bis heute verkörpert der Innovationsgeist von Renault und dieser Mut zum Risiko eines der besten Stücke der Formel-1-Geschichte. Das Interview mit einer Legende haben wir vor vier Jahren geführt, mit einem damals sehr fitten und vitalen Mann. Mit Jean-Pierre Jabouille, der neben Alain Prost und Fernando Alonso die größte "Marke" in der Formel-1-Geschichte von Renault ist.

Nun ist Jean-Pierre Jabouille, geboren am 1. Oktober 1942 in Paris verstorben – kurz nach seinen französischen Kollegen Patrick Tambay und Philippe Streiff.
Zur Erinnerung an Jean-Pierre Jabouille bringen wir das motorprofis.at - Interview noch einmal in voller Länge.


Was sind Ihre Erinnerungen an das Renault-Team 1977/78? Ich denke, der Rennstall ist für viele eine Inspiration: Man hat monatelange Rückschläge in Kauf genommen, weil man an ein Ziel und an seine eigenen Ideen geglaubt hat. Ihr galtet als Loser-Team, weil es in der Forschungsphase viele Ausfälle gab.  Nicht alle sahen am ersten Blick an welch unglaublich zukunftsweisender Technologie ihr als Turbo-Pioniere gearbeitet habt. 1977 wurde Renault verlacht, doch 1979 wurden erstmals alle besiegt.

Als erstes möchte ich hier einen Mann in den Vordergrund rücken: Bernard Hanon. Er war Chef von Renault und er war die treibende Kraft hinter diesem Projekt. Er hatte sich auf das Abenteuer Formel1 nur unter der Bedingung eingelassen, dass man mit neuer Technologie antreten würde. Sie war rasch in der Turboaufladung gefunden – nichts Unbekanntes, aber im Rennsport bis dahin noch nicht erfolgreich erprobt. Mit seinem tiefen Turboloch freilich war alles speziell auf winkeligen Strecken schwer fahrbar. 

Aber Sie forschten und fuhren und verbesserten sich...
Es war eine harte Zeit. Aber nach nur drei Saisonen hatten wir den ersten Sieg. Und das ist gar keine so lange Schmerzenszeit, sondern in erster Linie eine bemerkenswerte Leistung. Denn vergessen wir nicht, wie innovativ, wie neu und wie wenig erforscht diese Technologie war, für die wir uns entschieden hatten.
Es hätte leichtere Wege gegeben, aber unsere Mission war es, das zu tun, an was wir glaubten! Alle haben alles gegeben: die Techniker, die Ingenieure, die Fahrer, jeder einzelne hat bis in die Nacht für dieses Projekt gelebt und wirklich extrem hart gearbeitet. Heute würde das gar nicht mehr gehen, da gäbe es zu viele Arbeitszeit-Auflagen, aber damals waren wir alle ganz beseelt davon. Und in der Formel 1 haben wir an der Strecke in der Nacht durchgearbeitet. Heutzutage bekommt du dafür sofort eine Strafe.
Jean-Pierre Jabouille (geb. 1942) fuhr 49 Grand Prix und gewann zwei davon. Sechs Mal startete er aus der Pole.Jean-Pierre Jabouille (geb. 1942) fuhr 49 Grand Prix und gewann zwei davon. Sechs Mal startete er aus der Pole.
Kein Team hatte so viel Mut beim Motor-Konzept wie Renault. Deshalb gelten die Franzosen als Turbo-Pioniere.Kein Team hatte so viel Mut beim Motor-Konzept wie Renault. Deshalb gelten die Franzosen als Turbo-Pioniere.
Einer der grössten Momente der Formel-1-Geschichte: Jabouille siegt in Dijon, Arnoux und Villeneuve sehen sich an - sie haben eben für ein Jahrhundert-Duell gesorgt. Doch es ist Jabouille, der beide besiegt hat - als erster mit einem Turbo.Einer der grössten Momente der Formel-1-Geschichte: Jabouille siegt in Dijon, Arnoux und Villeneuve sehen sich an - sie haben eben für ein Jahrhundert-Duell gesorgt. Doch es ist Jabouille, der beide besiegt hat - als erster mit einem Turbo.
1979 dann der erste Sieg - im in vielfacher Hinsicht legendären Heimrennen in Dijon - als Sie Renaults ersten Sieg holten, den ersten eines Turbomotors und es zudem das legendäre Duell Arnoux vs. Villeneuve hinter ihnen gab. Wie war der Sieg nach so kurzer Zeit möglich?
Wir hatten einen zweiten Turbolader verwendet, damit wurde das Turboloch etwas gemäßigter. Nur die Haltbarkeit war noch lange nicht wie erwünscht, es wurde einfach enorm viel expertimentiert. Wir waren sehr, sehr schnell - aber oft ging auch alles in Rauch auf.

Manche spotteten damals von der "Teekanne". Wegen der charismatischen Form des Autos und eben dem Rauch, der wie Dampf aussah, wenn alles in die Luft ging. Aber alles war extrem zukunftsorientiert, mutig und innovativ bei Renault.
Weil Sie mich jetzt gerade an alte Zeiten erinnern: Bei Renault ging es schon damals nicht nur um den revolutionären Motor, sondern um das ganze Auto. Ich bin ja 1973 für Alpine gefahren. Da habe ich einen phantastischen Aerodynamik-Ingenieur kennengelernt. Er ist dann in das Formel-1-Team mitgewechselt. In jener Zeit hatte die Aerodynamik noch eine sehr stiefmütterliche Behandlung bei vielen Teams. Fast alle haben nur vom Motor geredet - und nur einigen wenigen Teams war bewusst, welches Potenzial im Kampf gegen den Luftwiderstand liegt. Bei uns hat man das sehr ernsthaft betrieben, geführt eben von ein, zwei außergewöhnlichen Talenten in diesem Bereich.

Klingt alles nach einer sehr spannenden Zeit.

Wissen Sie, dass ist ja ein Paradoxon der Geschichte. Alle reden immer vom revolutionären Motor und das auch zu Recht. Aber ein Nebeneffekt war, dass wir aufgrund der natürlichen Anfangsprobleme besonders viel Energie und Kraft in die Aerodynamik gesteckt haben, denn das war in der Zeit oft unsere beste Chance, die anderen zu besiegen.
Die Renault-Legenden Alain Prost und Jean-Pierre Jabouille mit dem einstigen Renault-Boss Carlos Ghosn.Die Renault-Legenden Alain Prost und Jean-Pierre Jabouille mit dem einstigen Renault-Boss Carlos Ghosn.
Für viele österreichische Kinder der 1970er-Jahre sind Sie eine besondere Legende. Denn immerhin waren Sie mit den ultraschnellen Turbo-Raketen von Renault am High-Speed-Track am Österreichring in Zeltweg/Spielberg besonders spektakulär.
Ja, es war eine aufregende Zeit. Es gab kaum regelbedingte Limitierungen. Vom Frontflügel bis Heck gab es kaum etwas, das von der FIA eingeschränkt wurde. Auch und gerade nicht am Österreichring, der so unglaublich schnell war. Alles kam dem Turbo optimal entgegen. Zudem nutzten wir eine Lücke im Reglement für einen Riesen von Heckflügel, der uns aerodynamisch einige Vorteile brachte.

1980 haben Sie in Zeltweg auch gesiegt.
Wir waren dabei schnell. Zu schnell! Es kam nun doch ein Reglement bezüglich der Abmessungen und damit gelang es  - leider - das Auto zu verlangsamen.

Man sagt, sie wären der beste Ingeneur gewesen, der je ein Formel-1-Rennen gewonnen hat.

Ich war immer Fahrer und Ingenieur, Eine sehr ungewöhnliche Kombination. Ich habe immer wie ein Ingenieur auch gedacht, wenn es in eine neue Saison ging, an ein neues Auto.

Was waren sie mehr?
Also: Zuerst war ich schon Pilot. Aber ich hab sehr früh die Chance bekommen, mich mit dem Thema Technik zu beschäftigten. Ich hatte immer schon ein sehr gutes dreidimensionales Vorstellungsvermögen - und wenn man mit mir über technische Visionen spricht, dann kann ich das alles immer sehr gut visualisieren. Das macht manches einfacher und interessanter. Aber in den entscheidenden Momenten, muss man sich natürlich immer auf nur ein Ziel konzentrieren. Und bei mir waren das in jener Zeit Erfolge als Fahrer, keine Frage.

Und jemand, der sich bis heute für die Formel 1 interessiert....
Entschuldigung, das ich Ihnen ins Wort falle. Aber ich gebe Ihnen ein konkretes Beispiel. Ich fiebere auch heute noch immer den ersten Tests entgegen. Und sehe mir alle Autos sehr im Detail an. Ich finde es sehr spannend zu sehen wenn etwa ein Team einen komplettem Neustart bei seiner aerodynamischen Philosophie wagt. Wie etwa, ich erinnere mich, Ferrari 2016 auf 2017 getan hat. Solche Dinge haben ein großes Risiko - aber sie sind auch eine große Chance. Denn die Aerodynamik ist etwas so komplexes, es ist unmöglich das ganze Konzept eines Gegners im Erfolgsfall binnen einer Saison zu kopieren. Du kannst dir einzelne Lösungen anschauen bei denen - aber das ganze System als solches ist so miteinander verbunden, dass dir eine einzelne Kopie kaum helfen kann. Und mehr zu verändern ist logistisch unmöglich.Und kostet viele Zeit und viel Kraft.

Trotzdem ist die Aerodynamik ein Gebiet mit enorm viel Potenzial.
Ja, wenn du selbst dein eigenes System zum funktionieren bringst, kann dir das eine Sekunde pro Runde bringen. Und denkt einmal nach: Wie viele PS muss ich beim Motor finden, um so einen Schritt zu machen? Ich sage es: 100! Darum halte ich endlose Diskussionen zum Thema Antrieb für übertrieben. Ein Auto mit einer guten Aerodynamik wird immer wieder seine Erfolge feiern.
Jabouille mit Nachfolger Prost.Jabouille mit Nachfolger Prost.
In den Straßen von Monte Carlo.In den Straßen von Monte Carlo.
Auch in Amerika vorneweg.Auch in Amerika vorneweg.
Ingenieur Jabouille verstand sich immer auch als ein Teil des technischen Berater-Teams.Ingenieur Jabouille verstand sich immer auch als ein Teil des technischen Berater-Teams.
Erinnerungen eines Pioniers der Renault-F1-Geschichte: Erinnerungen eines Pioniers der Renault-F1-Geschichte: "Wir haben rund um die Uhr gearbeitet."
Test-Ambiente im Le Castellet der 1970er-Jahre. Test-Ambiente im Le Castellet der 1970er-Jahre. "Wenn man mir was technisches erzählt, kann ich das visualisieren:"
Die ganze Vielfalt von Formel-1-Design in den späten Siebzigern auf einem Blick.Die ganze Vielfalt von Formel-1-Design in den späten Siebzigern auf einem Blick.
Jabouille mit Gerald EnzingerJabouille mit Gerald Enzinger
All seine Nachfolger (hier Sainz) verfolgte Jabouille ganz genau.All seine Nachfolger (hier Sainz) verfolgte Jabouille ganz genau.
Einer der Boliden der Pionierjahre von Renault, Jean-Pierre Jabouille und seinem Teamkollegen Rene Arnoux steht heute im Eingangsbereich der Renault-F1-Fabrik in Enstone. Als Inspiration, das Erfolg möglich ist, aber auch viel Durchhaltevermögen erfordert.Einer der Boliden der Pionierjahre von Renault, Jean-Pierre Jabouille und seinem Teamkollegen Rene Arnoux steht heute im Eingangsbereich der Renault-F1-Fabrik in Enstone. Als Inspiration, das Erfolg möglich ist, aber auch viel Durchhaltevermögen erfordert.
Jean-Pierre Jabouille und Gerald Enzinger bei einem ihrer gemeinsamen Interviews – hier in Le Mans.Jean-Pierre Jabouille und Gerald Enzinger bei einem ihrer gemeinsamen Interviews – hier in Le Mans.
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