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Europa und die Autoindustrie

Europa und die Autoindustrie

Wo Europa falsch abgebogen ist – und jetzt umkehrt

Vor ein paar Jahren hat sich Europa verfahren und wohl auch mancher Autobauer den Warnblicker vergessen: Hersteller für das Kaufverhalten der Kunden verantwortlich zu machen, erwies sich ebenso als Irrtum wie das teure Hochrüsten kleiner Autos. Für die europäische Industrie ist die Kurskorrektur essentiell.
Seit einigen Jahren müssen Autohersteller in Europa aufpassen, was sie verkaufen: Der durchschnittliche CO2-Ausstoß aller ausgelieferten Neuwagen darf eine von der EU definierte Schwelle nicht überschreiten. Zum Erreichen dieser Flottengrenzwerte ist im Jahr 2025 rund 20 Prozent Elektro-Anteil notwendig, bis 2035 sind es 100 Prozent. Die Industrie wird für das Kaufverhalten der Kunden verantwortlich gemacht und muss Strafe zahlen, wenn es nicht passen sollte. Diese Regelung war von Anfang an naiv, weil sie den Kunden als Faktor ausblendete, inzwischen kollidiert sie mit der Realität.
 
Die großen europäischen Autohersteller betonen weiterhin, dass die Zukunft elektrisch ist – fordern aber deutlich mehr Zeit beim Umstieg ein: „Dass die 15 Millionen Autos, die pro Jahr in Europa verkauft werden, bis 2035 nur noch elektrisch sind, ist nicht realistisch. Da fehlt es an Ladeinfrastruktur, an einigen Stellen noch an Bezahlbarkeit in der Breite und in vielen Ländern an der Bereitschaft des Marktes selbst“, sagt Opel-Chef Florian Huettl. Ohne Flexibilisierung schließen die Werke, macht Huettl klar: „Wenn wir gezwungen sind, nur noch Elektrofahrzeuge zu verkaufen, dann können wir das heute, aber dann verkaufen wir bei Opel eben keine 700.000 Autos mehr, sondern 200.000 oder 300.000. Die Industrie würde sich dann entsprechend halbieren in Europa, mit allen Auswirkungen, die das hat“. Peugeot-Chef Alain Favey betont, dass Innovationen die Werke und Arbeitsplätze in Europa sichern: „Es geht um die Frage, was Europa in zehn oder zwanzig Jahren sein soll: Ein Markt, in dem sehr viele Autos verkauft werden, die woanders entwickelt werden. Oder sollen in Europa auch die Kompetenzen, ein Auto zu bauen, weiter existieren. Also mit guten Ingenieuren, besten Designern und so weiter. Europa ist nicht nur ein Markt, es geht auch um Kompetenzen, Ingenieurskunst und Innovationskraft.“
 
Ein zweites Mal falsch abgebogen ist Europa in den letzten Jahren beim teuren Hochrüsten kleiner Autos mit Assistenzsystemen, wobei da für Favey auch mancher Autobauer den Warnblicker vergessen hat: „Mit dem Finger auf die bösen Regulierer zu zeigen, wäre zu einfach. Vielleicht waren einige Hersteller auch froh, dass es diese kleinen Autos nicht mehr gibt und dass man ein bisschen teurere Autos verkaufen, also mehr Geld verdienen kann.“

Außer Acht gelassen wurde, dass kleine Autos weiterhin erschwinglich bleiben müssen. Inzwischen ist das A-Segment tatsächlich weitgehend verschwunden und parallel der Neuwagenverkauf in Europa um rund drei Millionen eingebrochen. Auch im nächstgrößeren B-Segment macht das Hochrüsten keinen Sinn: „Ich bezweifle, dass viele unserer 200.000 Corsa-Kunden dieses Jahr sagen, ohne Pupillenüberwachung möchte ich mein Auto nicht mehr fahren. Da sind wir zu weit gegangen", sagt Florian Huettl und wünscht sich „eine europäische Fahrzeug-Kategorie, die diese Realität anerkennt." Auch für Alain Favey ist eine erschwingliche kleine Fahrzeugklasse notwendig: „Wenn das wieder möglich ist, eröffnet es viele Möglichkeiten für die ganze europäische Autoindustrie.“
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