Test: Kia Picanto
Autofahren wie früher
Um den vielleicht sinnvollsten Superlativ der Autowelt: Der Kia Picanto ist tatsächlich das kleinste Auto, das Sie derzeit kaufen können. Beim aktuellen Update erlaubt sich der Koreaner zwar einen zusätzlichen Zentimeter, er ist damit aber weiterhin nur drei Meter, sechzig Zentimeter und fünf Millimeter lang. Die Konkurrenten sind knapp größer (Fiat Pandina, Hyundai i10, Toyota Aygo X), keine offiziellen Autos (Fiat Topolino, Citroen Ami), elektrisch angetrieben und größer (Fiat 500, Dacia Spring) oder nicht mehr am Start (smart fortwo, VW up!). Vor allem mit Verbrennungsmotor sind die Kleinstwagen aus dem A-Segment wunderbare Miniatur-Allrounder, leider ist es aber so, dass die Hersteller mit diesen Flitzern kaum Geld verdienen. Oder kein Geld verdienen. Neue Vorgaben zu Abgasen und Sicherheit machen das Unterfangen nicht leichter. Es ist daher alles andere als selbstverständlich, dass Kia dem Kostendruck stand- und am Picanto festhält. Die Koreaner machen es aber schlau und verzichten auf eine teure Neuentwicklung, stattdessen überarbeiten sie ihren 2017 gestarteten und 2021 facegelifteten Kleinstwagen ein weiteres Mal.
Schaut der Kleine gut aus?
Der Picanto ist auch in der neuesten Version eine gelungene kleine Box. Mit dieser Geradlinigkeit kann man nichts falsch machen und sich überall sehen lassen. Als Herzensbrecher ist der kleine Koreaner nicht unbedingt unterwegs, je nach Ausstattung kann er aber coole Details und einen gewissen Chic vorweisen: Ab der (hier getesteten) Gold-Variante inszenieren die LED-Scheinwerfer und -Lichtsignaturen den kantigen neuen Kia-Look von EV3 und EV9. Das ebenfalls überarbeitete Heck führt diese Designlinie gut fort, ist mit dem wuchtigen Leuchtband-Komplex aber ein wenig Geschmackssache. In der Topausstattung GT-Line mit edlen Felgen und sportiven Frontschürzen ist der Picanto richtig cool – allerdings ist diese Variante der Automatik-Version vorbehalten, was Kleinwagen-Sportler etwas betrübt. Am wichtigsten für den Auftritt ist aber, dass alle Lackierungen, auch das lässige Grün und das glänzende Schwarz, für alle Varianten freigegeben sind.
Die bestechende Logik eines von Knöpfen dominierten Cockpits, wie in den guten alten Zeiten. Das ist kein Designereignis, funktioniert aber super: Wesentliche Bereiche wie die Lenkradfernbedienung, die Temperatursteuerung, die Sitzheizung und das Radio sind mit traditionellen Tasten und Rädern bestückt, deren Benutzerfreundlichkeit über jeden Zweifel erhaben ist. Das Multimediasystem behält seine vernünftige 8-Zoll-Größe, die bewährte Kia-Logik und zudem Kurzwahltasten unter dem Touchscreen. Im Gewusel der Stadt erweist sich die intuitive, oft „blinde“ Bedienung als wahrer Luxus. Einfachheit ist eine gute Entspannungstechnik. Über eine Lenkrad-Kurzwahltaste lässt sich der nervige, aber gesetzlich vorgeschriebene ISA-Geschwindigkeitswarner relativ schnell ausschalten, darüber hinaus gibt es keine elektronischen Ärgernisse. Der neue digitale Instrumentencluster hat zwar einen etwas unlogischen Drehzahlmesser, ist aber insgesamt sehr übersichtlich und gut ablesbar. Durch die Online-Anbindung bekommt der Picanto jetzt aktuelle Verkehrsinformationen und kann das Wetter vorhersagen, über eine Kia-App lassen sich auch Routen zu Hause auf dem Smartphone planen und ins Auto übertragen. Das dazugehörige Navigationssystem ist sogar serienmäßig. Viele werden trotzdem gleich Android Auto und Apple CarPlay einbinden. Dass der Picanto einen Valet-Modus hat, ist ein Segen, wer ihn an der Tür des Sacher abgibt, kann dadurch einen gesperrten Bildschirm hinterlassen und dem Diener DSGVO-konformes arbeiten ermöglichen.
Dass der Innenraum nicht riesig sein wird, ahnt man von außen. Große Fahrer kommen durch die gute Kopffreiheit aber gar nicht schlecht zurecht, hinter ihnen wird es in Reihe zwei dann freilich sehr eng. Die Sitze sind bequem für Kurz- und Mittelstrecken. Der 255-Liter-Kofferraum reicht für den Wocheneinkauf oder zwei Handgepäck-Trolleys, eine Ladekante ist aber zu überwinden. Das würfelige Design macht den Picanto auch empfänglich für größere Gegenstände, sein maximales Ladevolumen von 1.010 Litern bei umgelegten Fondsitzlehnen ist für die Klasse sehr gut.
Und die Qualität? Dass in dieser Klasse durchwegs harte Kunssstoffe verwendet werden, ist klar. Nicht selbstversständlich ist der robuste Gesamteindruck, den der Picanto damit hinterlässt.
Wie fährt sich der Picanto?
Den Dreizylinder-Turbo-Benziner mit 100 PS und 172 Newtonmeter musste Kia im Picanto leider aufgeben, der Green Deal erlaubt noch einen 1,2-Liter-Vierzylinder-Sauger mit 79 PS und 113 Newtonmetern. Wobei, wenn heute riesige SUVs mit Dreizylinder-Hybridlösungen arbeiten, ist ein Vierzylinder im Kleinstwagen ja auch ein unerhörter Luxus, quasi der A-Segment-Achtzylinder. Der akustische Vorteil von vier Zylindern ist meistens eindeutig, auch der Picanto hört sich damit sonorer als mit Dreizylinder an – was nicht unwesentlich ist, denn Motorklang begleitet die Fahrt (nicht nervig, aber präsent). Beim Hochdrehen wird der Sound lauter, geradezu sportiv. Und flotte Fahrer drehen gerne hoch, denn dann geht es auch ordentlich voran. Nur 915 bis 1.026 Kilo wiegt der Picanto in der getesteten Schaltgetriebe-Vierzylinder-Konfiguration. Das klingt nach Werten von früher, und es bedeutet auch Autofahren wie früher: Der Fahrer darf sich eng mit Lenkrad, Schaltung und Pedalen verbunden fühlen, er spürt die Mechanik unmittelbar. Das ergibt eine wunderbare Antithese zum fraglos komfortableren, aber auch virtuelleren Elektroauto-Fahrgefühl. Die hohe Agilität, das gute Lenkgefühl und die präzise Schaltarbeit macht auf kurzen und mittellangen Strecken jedenfalls viel Spaß. Für alle, die ihr Auto nur mühelos fahren wollen, sei gesagt: Unkomplizierter als mit diesem 3,60-Meter-Flitzer kann man sich in Ballungsräumen kaum bewegen. Der Komfortvorteil gegenüber größeren Autos bei Parkplätzen, Garagenausfahrten, engen Gassen und dergleichen mehr ist im Alltag enorm. Auf der Autobahn ist der Picanto zugelassen, aber nicht heimisch. Über Landstraßen flitzt er recht flott und lässig, bei Seitenwind und Spurrillen heißt es ein bisserl aufpassen, und Überholmanöver gehören vernünftig geplant. Der Langzeitverbrauch verharrt in der Praxis meistens im Fünfer-Bereich, im Test mit Tiefen von 5,3 Liter und Höhen von 5,9 Liter.
Ja. Der Dreizylinder-Benziner mit Schaltgetriebe und 63 PS ist was für gemütliche Basismobilität, durchaus okay in der Stadt und auf kurzen Strecken. Das automatisierte Getriebe für den 79-PS-Vierzylindermotor hilft, wenn man oft im Stau steht, macht den Picanto aber ebenfalls weniger sportiv.
Wie schaut es preislich aus?
Natürlich werden die Zeiten auch für Superminis mit Verbrennungsmotor härter (für alle, die es immer noch nicht verstanden haben: Ja, bald gibt es wirklich nur noch Elektroautos). Nicht nur die PS gehen runter, sondern auch die Preise rauf. Hat der Picanto vor vier Jahren noch bei 10.590 Euro losgelegt, so sind es beim Dreizylinder-Benziner nun 14.990 Euro. Allerdings gibt es auch keine echte Basisausstattung mehr. Der getestete 79-PS-Vierzylindermotor mit Schaltgetriebe ist um 15.990 Euro (Version „Titan“) bereits unterschriftsreif, es fehlt nichts Essentielles. Sogar Navi und Rückfahrkamera sind dabei. Wir würden trotzdem 16.990 Euro für „Silber“ auslegen, denn wir sind verwöhnt und wollen Sitzheizung, Lenkradheizung und Alufelgen. In der getesteten „Gold“-Ausstattung sind für den Vierzylinder-Picanto 20.990 Euro fällig, dafür gibt es viele tatsächlich nützliche Dinge wie schlüssellosen Zugang, Klimaautomatik und elektrische Außenspiegel. Durch 15-Zoll-Alufelgen und LED-Lichter schaut das Auto dann auch besser aus, die stromhungrige Tiktok-Generation wiederum wird für den USB-Anschluss hinten dankbar sein. Immer ein gutes Argument für einen Kia sind die sieben Jahre beziehungsweise 150.000 Kilometer Werksgarantie.
Das Fazit?
Die Zeiten werden auch für diesen Supermini härter, es fährt jetzt mit weniger PS und höheren Preise vor. Der Picanto bleibt in der neuersten Version aber wohlfeil und ein perfekter kleiner Flitzer für Verbrenner-Fans. Wunderbar unkompliziert in der Bedienung und im Stadtverkehr, sehr unterhaltsam auf kurzen bis mittellangen Strecken: Mit einem Gewicht ab 915 Kilo steht der Picanto auch für spaßiges Autofahren wie früher, er verbindet seine Fahrer eng mit Lenkrad, Schaltung und Pedalen.