TEST: VW POLO 1,0 TSI
Einer für alles
Was macht den Polo zum Klassiker?
Sein dauerhafter Erfolgt. Seit 1975 hat VW mehr als 18 Millionen Polo verkauft, davon allein in Österreich über 330.000 Stück! Nach Jahrzehnten an der Spitze des Segments ist der Bestseller im heimischen Ranking zuletzt vom Skoda Fabia überholt worden, aber das ist ja de facto auch ein Polo. Mit einem technischen Transfer im Konzern begann übrigens auch die Polo-Geschichte: Die erste Generation war eigentlich ein Audi 50, die Schwestermarke wollte damit im Kleinwagensegment Fuß fassen. Während man sich in Ingolstadt ab 1978 wieder auf größerer Modelle konzentrierte und erst 2010 mit dem A1 ins Segment zurückkehrte, entwickelte sich der Polo über sechs Generationen zu einem der erfolgreichsten Kleinwagen aller Zeiten und – neben dem Golf – zum Volkswagen schlechthin.
Elektroantrieb wird immer wichtiger. Ist ein Polo mit Benziner da noch ein solides Investment?
Absolut. Der Wandel zur elektrischen Mobilität ist nicht mehr aufzuhalten, auch VW ist ja mit ID.3, ID.4 und ID.5 schon breit aufgestellt. Andererseits ziehen noch viele Jahre ins Land, bis sich Stromer überall so einfach wie Verbrenner „tanken“ lassen. In der Zwischenzeit ist ein sparsamer Kleinwagen-Klassiker natürlich eine grundsolide Angelegenheit, zumal sich der Polo inzwischen zu einem echten Allrounder entwickelt hat, der auch auf der Langstrecke zuhause ist. Und derzeit ist ein günstiger Einstiegszeitpunkt, der 2017 eingeführte Polo VI wurde im Herbst 2021 optisch und technisch umfangreich überarbeitet.
Was lässt sich über das Design sagen?
Experimente mochte der Polo noch nie. Wie der Golf setzt er auf ein möglichst zeitloses und universales Design: Ein Polo-Outfit ist für alle tragbar und passt für lange Zeit. Zur klassenlosen, klassischen Linienführung kommen in der sechsten Generation erwachsene Dimensionen. Der Polo basiert seit 2017 auf dem Modulare Querbaukasten (MQB) des VW-Konzerns und hat damit ähnliche technische Möglichkeiten wie der Golf. Einher geht ein Wachstum auf 4,07 Meter Länge, 1,75 Meter Breite und 2,56 Meter Radstand. Zum Vergleich: Beim Golf sind es 4,28 Meter Länge, 1,78 Meter Breite und 2,61 Meter Radstand. Der erste Polo war 1975 übrigens 3,50 Meter lang.
Beim aktuellen Facelift wurde die Stoßfänger retuschiert, insgesamt verändert sich der Auftritt in der getesteten Life-Ausstattung aber nicht sehr stark. Bei der 95-PS-Automatik-Kombination stellt „Life“ die Basisvariante dar und legt mit 15-Zoll-Alufelgen und LED-Scheinwerfern einen soliden, aber nicht spektakulären, Auftritt hin. Die Eyecatcher behält der Polo den zwei höheren, jeweils rund 2.700 Euro teureren, Ausstattungen Style und R-Line vor: Neben 16- und 17-Zoll-Felgen sind dann auch IQ.LIGHT Matrix-LED-Schweinwerfer serienmäßig, die eine neue Tagfahrlichtsignatur haben und durch ein auffälligeres LED-Lichtband über die gesamte Front verbunden sind. Animierte Blinkleuchten, eigentlich auch ein Oberklasse-Feature, schalten die LED-Blöcke so nacheinander, dass sie die Fahrtrichtung dynamisch angezeigt wird – was hilfreich ist und natürlich schick aussieht. Einige neue Außenfarben und Felgendesigns sowie das optionale schwarze Dach geben zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten.
Auffälligste Änderung ist das Digitalcockpit. Ab der Einstiegsvariante ersetzt ein 8-Zoll-Infodisplay die klassischen Instrumente und auch das Upgrade auf das 10,25 Zoll große „Digital Cockpit Pro“ ist im Paket preisgünstig. Viele Informationen rücken direkt in das Blickfeld des Fahrers oder werden neu dargestellt, neben der Navigationskarte erscheinen im Display zum Beispiel auch Musikcover oder Bilder von Anrufern. Der Zugang zu den wichtigen Informationen ist einfach, über Tasten am Lenkrad wechselt man problemlos die Ebenen im Digitaldisplay. Die Lenkradfernbedienung ist insgesamt praktisch.
Die weitere Bedienung über das 8-Zoll-Multimediasystem „Ready2Discover“ hat im Testwagen ebenfalls gut funktioniert, die neueste Infotainment-Generation des VW-Konzerns (MIB3) reagiert schnell und ist weitgehend logisch strukturiert. Android Auto und Apple Carplay funktionieren ohne Kabelverbindung, vor allem die Android-User brauchen keine Navigation nachrüsten, weil Google Maps gut funktioniert. Für die Musiklaustärke gibt es einen klassischen Drehregler, sehr angenehm.
Nicht alles gelingt VW perfekt, wenn man ins Detail schaut: USB-C-Schnittstellen sind vorhanden, eine klassische USB-B-Buchse fehlt aber. Bei der Touch-Bedieneinheit für die Klimaautomatik kommt man mitunter versehentlich an. Haltegriffe im Dach vermissen wir. Das Lenkrad ist eine Spur zu groß geraten.
Insgesamt ist der Innenraum aber sehr gut gemacht: Die Materialqualität ist hochsolide, die Verarbeitung vorbildlich. Dazu kommen die sicherlich besten Sitze der Klasse und ein Platzangebot, dass inzwischen schon den früheren Golf-Generationen (z.B. Golf VI) entspricht. Vorne kommen sehr große Fahrer gut zurecht, das ist nicht selbstverständlich im Segment. Auch im Fond ist es für Erwachsene nicht zu eng. Das Kofferraumvolumen ist mit 351 bis 1.135 Litern klassenüblich, durch den höhenverstellbaren Kofferraumboden hat man ein gutes Versteck.
Der 1,0-Liter-TSI war im Testwagen mit dem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe DSG kombiniert. Für das dauerhafte Delegieren der Schaltarbeit sind 2.170 Euro Aufpreis fällig.
Die Investition lohnt sich auch in der Stadt, dort wird ja besonders oft der Gang gewechselt. Die Fahrt begleitet der Dreizylinder-Turbo mit dem typisch kernigen Klang seiner Gattung, er wird aber nicht zu laut. Der Motor ist sehr drehfreudig und das Auto in der Stadt so handlich und übersichtlich, wie es sich für einen Kleinwagen gehört. Nur aus dem Drehzahlkeller heraus gönnt sich der TSI eine Nachdenkpause, die im Stadtverkehr mitunter nerven kann – zum Beispiel wenn man schnell aus einer Seitengasse rausbeschleunigen will. Da muss man entspannt sein und sich im Zweifel lieber Zeit lassen (oder zum 207 PS starken Polo GTI greifen). Die Federung könnte bei langsamer Fahrt vielleicht einen Tick früher ansprechen.
Beeindruckend ist, wie der kompakte Polo im Langstreckentest brilliert: Es gibt in seiner Klasse wohl kein Auto, das auf langer Fahrt ein so komfortabel-souveränes Fahrwerk hat. Die Innengeräusche sind niedrig und die Sitze auch über viele Stunden sehr bequem. Die quirligen 95 PS reicht für den nur 1.200 Kilo schweren Polo locker, zudem braucht man auf der Autobahn nicht mehr als 5,5 Liter (Motorprofis.at-Testverbrauch gesamt 5,9 Liter). Neu hinzugekommen sind im Polo auch zwei spezielle Features für Fernfahrer (Serie bei Style und R-Line): Der IQ.DRIVE Travel Assist kombiniert die vorausschauende automatische Distanzregelung (ACC) und den Spurhalteassistenten (Lane Assist), was teilautomatisiertes Fahren ermöglicht und auf längeren Strecken wirklich angenehm sein kann. Die IQ.LIGHT Matrix-LED-Schweinwerfer haben hohe Leuchtkraft, zudem können sie einzelne LED-Segmente gezielt ein- und ausschalten, was dauerhaftes Fahren mit Fernlicht ermöglicht, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu blenden. Es wird oft unterschätz, dass gutes Licht zu den allerwichtigsten Komfortelementen eines Autos gehört. Alles in allem ist der Polo auch für Pendler, die täglich längere Strecken fahren, oder für Urlauber mit regelmäßigem Fernweh, ideal – und bietet für diese Gruppen eines der besten Preis-Leistungsverhältnisse.
Das Fazit?
Einer für alles – der Polo zeigt im Test mit der 95-PS-Automatik-Variante, wie erwachsen er geworden ist. Für ein B-Segment-Auto bietet er auf längeren Strecken herausragenden Komfort. Die Verbrauchswerte sind niedrig und auch die neuen Features wie Travel Assist und Matrix-Licht schätzen Fern- und Vielfahrer. In der Stadt leistet sich der Polo eine gelegentliche Anfahrschwäche, wer das entspannt sieht, bekommt eine handlichen und übersichtlichen Begleiter für die City. Ein Polo ist und bleibt ein grundsolides Investment.