ERSTER CHECK: LAND ROVER DEFENDER 110
Will nicht cool sein. Ist es aber.
Bevor der neue Defender im Frühling 2020 startet, hat Land Rover ein Exemplar für kurze Zeit nach Österreich gebracht. Motorrpofis.at hat die Gelegenheit zu einer ersten ausführlichen Begegnung genutzt. Die spannende Frage ist – wie wirkt der neue Defender, wenn man ihn live sieht?
Der neue Defender ist ein modernes, völlig neu entwickeltes Auto – und so sieht er auch aus: wie ein modernes neues Auto. In scharfkantiger Abgrenzung zu den SUVs behält er aber seinen robusten Abenteuer-Look: Die Linienführung bleibt ziemlich streng horizontal-vertikal, die Räder stehen so weit außen wie möglich, das Reserverad ist unverändert außen montiert. Reduktion ist das Credo, und wenn gestylt wird, dann um Bezug auf die Vergangenheit zu nehmen – wie beim angedeuteten Front-Bügel und dem Knick auf Höhe der Gürtellinie.
In der Praxis werden sich die einzelnen Defender durch die vielen angebotenen Varianten optisch sehr unterscheiden. So ist zum Beispiel beim Topmodell Defender X, oberhalb von HSE angesiedelt und nur mit 400-PS-Motor zu haben, neben dem Dach auch die Motorhaube in Kontrastfarbe Schwarz. Auch das Testmodell mit seinem „Explorer Pack“ war ein besonders prägnantes Beispiel der Individualisierung – alle Explorer-Features haben ihren Zweck, aber auch optische Auswirkungen: klassische Schmutzfänger und Kunststoff-Radhauverkleidungen verändern das Design ebenso deutlich wie der Expeditionsdachträger, die Leiter und die Staubox außen an den Seiten, die Motorhaubenfolie und der erhöhte Luftansaugstutzen. Der Defender positioniert sich also auch in seiner modernen Fassung als robuster Abenteuer jenseits der Boulevard-SUVs. Ironie der Geschichte: Seine Authentizität wird sich am Boulevard natürlich auch gut machen. Wer nicht (bewusst) cool sein will, ist es halt ganz besonders.
Seine Wirkung kommt vom geradlinigen Design, von der Höhe, von den bis zu 22 Zoll großen Rädern, vom außen montierten Reserverad – aber die Karosserielänge bleibt mit 4,75 Metern (5,01 Meter inklusive Reserverad) halbwegs im Rahmen, liegt zum Teil deutlich unter klassischen Luxus-SUVs. Sehr erfreulich, wenn man auch in der Stadt zu tun hat, zumal ja die typische Offroad-Sitzposition – sehr hoch, sehr weit außen – auch im Innenstadt-Dschungel für viel Übersicht sorgt.
Sensationell urban ist dann der Defender 90: 4,32 Meter, ohne Reserverad gemessen, die Länge eines Kompaktwagens.
Welchen Weg geht der Defender beim Interieur?
Nach Defender-Tradition ist die Inneneinrichtung stilistisch reduziert, mit sichtbaren Schrauben in den Türen sogar bewusst auf urig getrimmt, trotzdem sitzt man in einer Luxus-High-Tech-Umgebung wie man sie von Land Rover gewohnt ist: Edles Leder auf den Sitzen, am Armaturenbrett ebenfalls, digitale Armaturen mit alle Infos direkt im Sichtfeld, ein Multimedia-Touchscreen mit neuer, als intuitiver beschriebenen, Software (Pivi Pro) im Zentrum.
Ein Schwerpunkt des Autos war immer das Platzangebot. Bleibt das so?
Der alte Abenteurer und Arbeiter ist durch die moderne Technik nun natürlich auch Familien- und Freizeitauto, entsprechend versuchen beide Karosserievarianten ein absolutes Maximum an Raum und Sitzplätzen herauszuholen.Dank dem Radstand von über drei Metern und der enormen Breite von über zwei Metern schafft der Defender 110 auf nur 4,75 Metern Länge je nach Wunsch fünf, sechs oder 5+2 Sitzplätze. Der Automatikwahlhebel rückt in das Armaturenbrett und macht den Weg für einen optionalen dritten Sitz in Reihe eins frei (auch beim kompakten Defender 90, übrigens).In der fünfsitzigen Konfiguration passen auch bei aufgestellten Sitzen über 1000 Liter in den Kofferraum, wenn man unter Beihilfe des optionalen Laderaum-Trenngitters bis unter das Dach belädt. Nicht von schlechten Eltern ist auch das Maximal-Ladevolumen von 2.380 Litern bei zweisitziger Konfiguration. Weil die Sitzfläche zusätzlich vorgeklappt werden kann, ist die Ladefläche brettleben.
Wie bisher schwingt die Heckklappe seitlich auf, wobei es eine superpraktische stufenlose Arretierung gibt. Auch das automatische Absenken der Ladefläche macht man gerne, um weniger hoch heben zu müssen. Die Ladeöffnung selbst ist groß, wenn auch nicht extrem breit.Wichtig zu wissen: Auch wenn man den Defender durch die höhenverstellbare Luftfederung generell weit absenken kann, ist er grundsätzlich schon recht hoch – die Kinder werden also schon ein bisschen reinklettern müssen und Papa wird beim Beladen mitunter auch mal ein bisschen turnen. Der Defender ist halt generell kein Auto für Faulpelze.
Zwar verabschiedet sich die neue Generation vom traditionellen Leiterrahmen und stellt auf eine herkömmliche Bauweise mit selbsttragender Karosserie um – aber der Defender tut alles, um erst gar nicht in die Nähe von SUVs gerückt zu werden: Er teilt sich kein einziges Karosserieteil mit einem anderen Land Rover und wird im neuen Werk in der Slowakei auch auf einer eigenen Fertigungsstraße gebaut. Seine spezielle Alu-Karosserie, D7x genannt, ist auf Extremsituationen ausgelegt und viel steifer als herkömmliche Fahrzeugkörper. Die von den Prototypen absolvierten Testverfahren gingen weit über normale Standards hinaus.
Das wirkt sich aus: 900 Kilo Zuladung, 168 Kilo Dachlast während der Fahrt, bis zu 300 Kilo Dachlast bei stehendem Auto – mit dem optionalen Dachzelt kann auf dem Defender also die ganze Familie übernachten. Anhängelast 3.500 Kilo für das Ziehen von Booten, Pferden und was Ihnen sonst noch einfällt.
Durch seine moderne Technik wird der neue Defender im Gelände viel weiter kommen als der Vorgänger, wie auch Experte Ernest Loidl von der ÖAMTC Fahrtechnik im Gespräch bestätigt. An Bord sind Reduktionsgetriebe, Mitteldifferenzial und aktives Sperrdifferenzial hinten, koordiniert wie immer vom Terrain-Response-System, das die Technik auf unterschiedlichste Bodenbeschaffenheiten abstimmt.
Noch ein wenig leistungsfähiger als die anderen Land Rover – die den meisten SUV schon weit überlegen sind – wird der Defender vor allem durch die minimalen Karosserieüberhänge und die sehr weit höhenverstellbare Luftfederung. Falls sie vor haben, es auszuprobieren, hier die genauen Werte: 38 Grad Böschungswinkel vorn und 40 Grad hinten, 31 Grad Rampenwinkel, 291 Millimeter Bodenfreiheit. Und dank der seitlichen Lufteinlässe bis zu 900 Millimeter Watttiefe für die Wasserdurchfahrt.
Klingt toll. Aber was die meisten noch mehr interessiert: Wie komfortabel wird der neue Defender sein?
Die ersten Testfahrten stehen noch bevor, aber klar ist: Den luxuriös-hohen Komfort der Land-Rover-Modelle kann man nun auch im Defender erwarten. Zum Einsatz kommen eine adaptiver Luftfederung, eine Multilenker-Hinterachse und dazu die gesamte Premium-Komfortexpertise der Firma.
Das 48-Volt-Bordnetzt macht den Defender in allen Motorvarianten zum Mild-Hybrid mit Bremsenergierückgewinnung und Segelmodus mit zwischendurch abgestelltem Motor. Wunderdinge darf man beim Verbrauch natürlich nicht erwarten, der Defender wiegt je nach Konfiguration 2,0 bis 2,4 Tonnen. Vernünftigerweise setzt man weiter auf den Diesel: 7,6 Liter Mixverbrauch für den 2,0-Vierzylinder-Diesel in den Varianten mit 200 und 240 PS werden offiziell ausgewiesen – gar nicht schlecht. Auf Seiten der Benziner gibt es einen Vierzylinder-Turbo mit 300 PS und einen Sechszylinder-Turbo mit 400 PS. Kombiniert ist jeweils eine Achtgang-Automatik.
Geht der Defender der Weg in die E-Mobilität mit?
Ja, schon Ende 2020 folgt eine aufladbare Plug-in-Hybrid-Variante mit Elektro- und Benzinmotor, dann werden auch rund 50 Kilometer rein elektrische Kilometer möglich sein.
Ja, zwar nicht ab Werk, aber der Umbau zum Kastenwagen wird nachträglich möglich sein und ab Ende 2020 direkt von Land Rover angeboten. Der zweisitzige Defender mir Riesen-Ladefläche kann dann von der Vorsteuer abgezogen werden.
Wann startet der Defender in Österreich. Wie viel wird er kosten?
Die Auslieferung beginnt im Frühjahr 2020 mit dem Defender 110 zu Preisen ab 65.700 Euro. Die top ausgestattete „First Edition“ gibt es ab 88.500 Euro. Das Über-Drüber-Modell Defender 110 X mit 400 PS starkem Turbo-Benziner sowie allem Luxus- und Design-Features kommt auf 120.200 Euro.
Der Defender 90 folgt später im Jahr 2020 und wird (vorbehaltlich der endgültigen Homologationsdaten) ab 59.000 Euro zu haben sein. Beim Kastenwagenmodell mit abgezogener Steuer kann es für Unternehmer also auf rund 40.000 Euro netto runtergehen.
Obwohl Komfort und Luxus mit wehenden Fahnen einziehen, positioniert sich die Ikone auch in der modernen Fassung als robuster Abenteurer mit großem Offroad-Talent und sympathischer Alleskönner mit enormem Platzangebot. Das Kontrastprogramm zu den vielen Boulevard-SUVs wird sich freilich nicht zuletzt dort gut machen: am Boulevard.