Test: Toyota GR86
Für immer jung
2012 bringt Toyota den GT86 – und Kritikpunkte sind schon damals minimal. Am ehesten wird noch etwas mehr Leistung urgiert, weil sich die 200 PS aus dem 4-Zylinder Boxer-Motor etwas bitten lassen. Einmal auf Touren gebracht, lässt sich das Sportcoupé aber schnell bewegen. Die Reifen neigen in schnellen Kurven bewusst zum Schmieren und treiben den Spaßfaktor in große Höhe. Als die Emission-Hürden der Euro-6-Norm immer strenger werden, fällt der GT86 aus dem Programm, aber Toyota hat ein Herz für seine EU-Piloten…
2022 kommt das Auto als GR86 zurück, der neue Name bezieht sich auf das Mitwirken der Sport- und Rennsportabteilung Gazoo Racing, die mit GR Yaris und GR Supra bereits grandiose Bewegungstalente hervorgebracht hat und unter anderem in der Rallye-WM höchst erfolgreich ist. Die Philosophie des GT86 wird übernommen, die technische Basis ebenso, aber nahezu jedes Teil des Autos wird besser gemacht: Hochfester Stahl erhöht die Karosserie-Steifigkeit um 50 Prozent, der Schwerpunkt sinkt noch einmal leicht, die vordere Radaufhängung ist neu. Statt Downsizing erweitert Toyota den Hubraum auf 2,4 Liter, daraus ergeben sich nunmehr 234 PS und 250 Newtonmeter Drehmoment. Mit einigem Detailaufwand wird das Gewicht des Vorgängers gehalten, die Verteilung auf 53:47 optimiert.
Ein guter Auftritt?
Wie sein Vorgänger verzichtet der GR86 auf Show-Effekte. Poser, bitte woanders einsteigen (oder tunen, das geht natürlich auch). Fad wird es deshalb nicht, vielmehr ist die glatte und schnörkellose Karosserie als Ausdruck purer Sportlichkeit zu verstehen. Aerodynamik-Kniffe gibt es aber schon, zum Beispiel vertikale Air-Splitter vorne, nach hinten ansteigende Seitenschweller, Radkastenentlüftung, einen dezenten Heckspoiler. Diese neuen Elemente machen sich nicht wichtig, wirken aber schon: Das neue Auto ist akzentuierter und hübscher als den Vorgänger, finden wir.
Es ist nicht unbedingt ein Design-Highlight und materialseitig dominieren dunkle, eher harte Kunsstoffsorten, auch der Multimediabildschirm wirkt ein bisschen angestaubt. Aber wen kümmert das in so einem Auto? Wichtig ist die Sportwagen-Ergonomie, die perfekte Info-Fokusierung über das digitale Kombi-Instrument, ein richtig dimensioniertes Lenkrad, gute Sportsitze (die im Test nur leider etwas gequietscht haben), rutschfeste und richtig dimensionierte Alupedale, unkomplizierte Bedienung über (schöne) Tasten. Es ist guter Ort für Fahrertypen.
Theoretisch ist der GR86 unverändert ein 2+2-Sitzer. Wer der Schwiegermutter etwas heimzuzahlen hat, nimmt sie hinten mit. Der Kofferraum reicht aber auf jeden Fall für ein romantisches Wochenende, mit Nutzung der Rücksitze geht sich auch ein schöner Urlaub aus (sofern es bei den jeweiligen Anfahrten nicht zum Streit über den Fahrstil gekommen ist, kann schon mal passieren).
Viel Freude am Fahren?
Eher Begeisterung. Der GR86 macht schlichtweg alles richtig, was es für Fahrspaß braucht: Geringe Pedalwege, saubere Führung der Schaltung, exakt dosierbare Bremsen. Dazu pefekte Ganganschlüsse und präzises Lenkverhalten.
Das Leistungsempfinden ist deutlich höher, als es die 234 PS erwarten lassen. Der GR 86 dreht linear hoch, hat Power-Reserven, teil auch oben bei 7.500 Umdrehungen noch saftig aus. Der Sound wird dabei teilweise im Cockpit erzeugt, klingt aber täuschend echt. Immer wieder ist man erstaunt bis entgeistert, wie leicht sich das Auto anfühlt, also wie spät es sich vor der Kurve bremsen lässt. Verblüffend ist auch die Fahrzeugbalance, der GR86 untersteuert nicht- Egal wie man ihn um die Ecke schmeißt, er bleibt vorne in den Asphalt verbissen, dass es eine Freude ist. Hinten geht er dafür leidenschaftlich aus sich heraus – es ist immer mehr Kraft da, als Du brauchst, aber nie mehr, als Du willst. Das Auto lässt sich rhythmisch fahren, schnell und selbstsverständlich baut sich eine Harmonie zum Fahrer auf, die in jeder Kurve spürbar ist und laufend ausgebaut werden kann.
Wenn schon einen Sportwagen, dann aber gleich in der oberen Leistungsliga, hört man des Öfteren. Wir würden da wiedersprechen. Das Fahrspaß keine Frage von PS ist, wird selten so deutlich wie in diesem Auto: Viel wichtiger ist das geringe Gewicht, durch das Leistung, Lenkung, Fahrwerk und Bremsen viel stärker spürbar und viel besser kontrollierbar werden. Vor allem, wenn alles so unglaublich gut abgestimmt und ausbalanciert ist wie hier.
Der Gesetzgeber übt fast schon sadistischen Druck aus auf Fahrer, die ja nur ein bisschen Spaß haben wollen. Nicht nur dass die europäische Laufzeit des GR86 begrenzt ist, weil ihm die Abgasvorschriften früher oder später wieder einen Strich durch die Rechnung machen werden (genauer Zeitpunkt unbekannt). Aus dem Zeitdruck entsteht auch Nachfragedruck, man sollte also warten können und besser nicht nach Rabatten fragen. Die Preise sind aber weiterhin moderat, für den gebotenen Fahrspaß geradezu ein Geschenk, auch weil Toyoat eine abgespeckte Pure-Version bereithält für Fahrer, die einfach fahren wollen, und sich für den anderen Firlefanz nicht interessieren. Dass trotzdem 42.890 bis 46.190 Euro fällig sind, liegt am Österreich-Aufschlag in Form der Normverbrauchsabgabe NoVA. Die Deutschen legen bei 33.990 Euro los, österreichische Käufer dürfen sich somit auch als gemeinnützige Großspender fühlen. Immerhin schlägt die motorbezogene Versicherungssteuer nicht so zu wie bei leistungsstärkeren Sportwagen. Beim Verbrauch kann man mit rund neun Litern Gesamtschnitt kalkulieren, auf der Langstrecke auch weniger.
Das Fazit?
Sportwagen mit Verbrennungsmotor bitten in diesem Jahrzehnt wohl zum letzten Tanz. Wer noch schnell mitmachen will, hat hier gleich einen Partner fürs restliche Leben gefunden: Der GR86 ist ein moderner Klassiker. So großer und so ungefltert weitergebener Fahrspaß ist ebenso selten wie zeitlos. Wer den GR86 einmal hat, wird ihn wahrscheinlich nie mehr hergeben wollen. Er bleibt für immer jung.
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Anmerkung vom Jänner 2024: Durch die neuesten EU-Regularien für Sicherheitsassistenten und Abgase ist der Toyota GR86 aktuell nicht verfügbar – im Gegensatz zur Schweiz oder England, wo das Fahrzeug normal bestelt werden kann. Interessenten in der EU können sich derzeit nur beim Hersteller auf die Warteliste setzten lassen oder am Zweitmarkt umschauen. Weitere Infos folgen.