HONDA-STAR TIAGO MONTEIRO
"Red Bull macht es richtig!"
Tiago Monteiro, 43, ist eine der großen Ikonen des Tourenwagensports. Der Mann aus Portugal ist der große Routinier im Kader von Honda in der inoffiziellen Tourenwagen-WM WTCR, die dieses Jahr im Juli wieder am Salzburgring gastiert. Zudem ist Monteiro Manager von Formel-E-Leader Antonio Felix da Costa. motorprofis.at traf ihn bei der Premiere des neuen Honda Civic R-Type Limited Edition zum Interview.
Am 25. und 26. Juli gastiert die WTCR auf dem Salzburgring. Schön, dass Ihr zurück seid.
Ja, ich freue mich darauf. Ich habe aber gemischte Erinnerungen. Ich mag die Strecke, aber das Qualifying war beim letzten Mal mit all den Strafen ziemlich verrückt, weil wir keine Runde zusammengebracht haben. Es gab viele Unfälle, gerade in der schnellen Fahrerlager-Kurve. Es gab viele Reifenplatzer. Und dem Honda mangelte es damals an Leistung. Wir wurden also ständig überholt, und das war sehr frustrierend. Die Strecke selbst ist aber fantastisch, und ich fahre dort gerne – solange der Motor passt. Ich denke, dass wir uns verbessert haben. Wir haben ein besseres Paket. 2016 und 2017 hatten wir einen besseren Motor, aber wir sind dort nicht mehr gefahren. Und als wir dort fuhren, hatten wir ein Defizit bei der Motorleistung.
Die DTM hat viele Fans in Österreich, daher ist es für die TCR nicht so einfach. Warum sollen die Leute zum Salzburgring kommen?
Die Stärke der Serie ist auf jeden Fall die Action. Das gilt auch für die DTM, aber da die Autos mehr aushalten und die Aerodynamik keine so große Rolle spielt, kann man Stoßstange an Stoßstange fahren. Es wird viel Action geben. Es handelt sich um Kontaktsport, weil genau das der Fall ist. Und das wollen die Leute sehen. Sie wollen Kämpfe und Berührungen sehen. Die Strategie spielt keine große Rolle, es wird von Anfang an voll attackiert. Wir fahren eine halbe Stunde und pushen so viel wie wir können. Klar, die DTM hat auch sehr gute Fahrer, also kann man das nicht als Argument vorbringen, aber wenn man sehen will, wie es sich gute Fahrer in kurzen Sprintrennen auf der Strecke ausmachen, dann ist man an der richtigen Adresse.
Was hältst du von der Entwicklung der TCR und der Tourenwagen?
Es gibt jetzt drei Meisterschaften, in denen diese TCR-Autos zum Einsatz kommen. Es besteht also die Möglichkeit einer globalen Entwicklung. Das Konzept ist fantastisch und bietet vielen Fahrern die Möglichkeit, diese Autos zu fahren. Es handelt sich um ein gutes Rennauto, das aber sehr leicht zugänglich ist, was die Kosten, aber auch die Fahrbarkeit angeht. Es handelt sich um eine der besten Plattformen für junge Fahrer, die nicht in die Formel 1 oder in den Monoposto-Rennsport wollen. Man kann auf Anhieb hier mitfahren und vorne dabei sein. Auch die Show und die Kämpfe sind gut. Es handelt sich um kurze Sprintrennen, in denen sehr aggressiv gefahren wird. Und dann gibt es die nationalen Meisterschaften, und man kann sich in die Weltmeisterschaft nach oben arbeiten. Das ist ein sehr gutes Konzept, auch wenn ich das WTCC-Auto mochte, das mehr mit einem Prototypen zu tun hatte. Dieses Konzept jetzt ergibt aber heutzutage mehr Sinn.
Die DTM ist in einer heiklen Phase, was ihre Zukunftsplanung betrifft. Deine Meinung?
Ich mag die DTM sehr, und die Autos sind fantastisch, aber mit diesem Konzept war es immer ein kniffliges Geschäft. Die Serie ist zu eng an die deutschen Hersteller gebunden, was externen Marken den Einstieg sehr schwierig macht. Sie probieren es immer, aber es ist schwierig. Die Kosten sind sehr hoch. Ich weiß, dass sie versuchen, die Kosten zu senken, aber es ist immer noch sehr teuer. Ich kenne dort viele Leute und bin auch mit Antonio Felix da Costa zu vielen Rennen gefahren. Die Show ist gut, aber die Rennen sind ein bisschen lang. Das Format ist vielleicht nicht ganz zeitgemäß. Vor allem junge Leute wollen viel Action in kurzer Zeit, für sie ist eine halbe Stunde die Grenze. Sie müssen sich also anpassen. Zudem befinden sie sich durch die Anzahl der Autos in einer kniffligen Situation.
Die DTM hofft auf Hersteller aus Japan, aber ist das für Honda wirklich ein Thema?
Ich glaube, dass es andere Hersteller gibt, die mehr Interesse haben als Honda. Sie würde das mehr reizen, weil der Markt für sie interessant ist. Ich weiß aber nicht, ob das wirklich die Richtung ist, in die Honda derzeit gehen will. Sie sind - soweit ich das als Fahrer beurteilen kann - nicht so interessiert.
Was hältst du von der Zusammenarbeit der Super-GT-Serie mit der DTM?
Das war eine clevere Idee. Die Autos sind einander sehr ähnlich, es ging also nur darum das richtige Reglement zu finden. So kann man zwei starke Serien miteinander kombinieren, und daraus wird etwas noch Größeres. Das Konzept ist sehr gut. Aber wird es auch wirklich so funktionieren, wie sie es planen? Ich bin nicht tief genug in der Materie, um das einschätzen zu können.
Honda entwickelt sich in der Formel 1 sehr schnell weiter. Was sagst du dazu?
Das ist gut für das Image. Es ist nicht gut, wenn man eine Marke repräsentiert, über die sich die Leute lustig machen. Das war nicht gut für uns, da auch wir Teil der Honda-Welt sind. Aber es ist passiert. ich war nicht überrascht, denn ich weiß, wie Honda arbeitet: Sie machen alles auf ihre Weise, haben ihre eigenen Leute engagiert, da sie diesen Lernkreislauf haben. Und jeder weiß, wie kurzweilig der Motorsport ist, man hat keine Zeit, um zu lernen. Dabei ist es das, was ihnen wichtig ist. Sie haben also in der Formel 1 das gleiche gemacht wie in der WTCC. Sie haben auf Trial and Error gesetzt, um etwas zu lernen und sich zu verbessern. Die Formel-1-Welt ist aber so stark und sie wurden dafür kritisiert. Sie haben aber am Ende das Konzept verstanden und werden immer stärker.
Liegt es auch daran, dass Red Bull und Toro Rosso besser mit den Japanern klarkommen?
Ja klar. McLaren war von Anfang an nicht so offen und so bereit dafür, um diesen Lernprozess zu akzeptieren. Die Mentalität von Red Bull und Toro Rosso ist ganz anders und sie machen es richtig. McLaren war erfolgsverwöhnt, und plötzlich war es hart für sie. Das haben sie nicht akzeptiert. Einige Male war es auch eine Ausrede, denn das Auto war nicht fantastisch, und es war einfach, Honda die Schuld in die Schuhe zu schieben. Ich hatte nichts damit zu tun, also kann ich es nicht wirklich kommentieren, aber von außen machte es diesen Anschein.
Zurück auf die Straße: Honda hat eben den preisgekrönten Civic R-Type mit einer Limted Edition als reine Rennmaschine noch einmal perfektioniert.
Es ist eine großartige Idee, ein bereits großartiges Auto noch einmal zu verbessern. Ich muss wirklich sagen, dass es sich für ein Straßenauto um ein tolles Auto handelt. Dieser weitere Schritt, bei dem man das Gewicht um 47 Kilo reduziert hat, zeigt das. Ich bin sehr aufgeregt. Das Auto war bereits sehr gut, die Details machen es jetzt noch besser.
Du hattest 2017 einen schweren Testunfall in Barcelona, bei 255 km/h. Aufgrund neurologischer Probleme hast du danach 415 Tage pausieren müssen. Daher nun die wichtigste Frage: Wie geht es dir gesundheitlich?
Gut. Gottseidank hat sich alles gut entwickelt. Vor genau zwei Jahren war ich in keiner guten Lage, denn es gab viel Ungewissheit, viele physische und neurologische Probleme. Ich hatte auch Probleme mit meinen Augen.
Dazu kam, dass die Ärzte nicht sehr zuversichtlich waren. Ich bin froh, dass ich trotz allem, was passiert ist, großes Glück hatte und den Glauben nie verloren habe. Ich wollte zurückkommen und habe wirklich darauf hingearbeitet. Der Wunsch zurückzukommen, hat mich dazu gezwungen, ein Jahr lang härter zu arbeiten. Nach den ersten drei Monaten im Krankenhaus und einem Monat zuhause habe ich ganze neun Monate an meiner Genesung gearbeitet. Das war mein Leben.
Das ging von sechs Uhr morgens bis irgendwann in der Nacht. Ich habe mich behandeln lassen, es gab ein Genesungsprogramm. Und ich hatte ein tolles Team um mich herum. Sie haben den gesamten Tagesablauf für mich so geplant, dass ich so viele Dinge wie möglich machen kann. Ich bin um die ganze Welt gereist, um die besten Ärzte zu treffen, bin zu Spezialisten gegangen.
Ich war in neun unterschiedlichen Ländern, bei neun unterschiedlichen Experten. Ich war bei der NASA in Houston, habe die selben Behandlungen wie die Astronauten erhalten. Da ging es um neurologische und visuelle Dinge. Ich erhielt vier Impfungen, direkt ins Auge, und vier ins Gehirn.
Das Genesungsprogramm klingt sehr intensiv.
Ich war 600 Stunden lang in der Überdruckkammer, habe puren Sauerstoff geatmet.
Ich habe großen Respekt vor den Leuten, die mir geholfen haben. Und da auch Honda so viele Fahrer hat, sind auch ein paar verletzt. Marc Marquez hat mir sehr geholfen, denn er hatte ein ähnliches Problem, auch wenn es kleiner war. Er hat mich also mit seinen Ärzten zusammengebracht, auch Honda hat Kontakt hergestellt. Ich hatte also das Glück, dass ich in diesem Umfeld war. Es war eine lange, harte Zeit und ich war ganz unten, auch psychologisch. Es gab sogar einen Moment, an dem ich geglaubt habe, dass ich nie mehr fahren werde. Mein Ziel war es, wieder ein normales Leben zu führen, meine Kinder in die Schule bringen zu können.
War es wichtig, ein Rennsportziel zu haben, um bei der Rehabilitation fokussierter zu sein?
Heute wieder hier stehen zu können, war einer der Hauptgründe, denn ich hatte dieses Ziel. Sonst hätte ich das nicht in einem Jahr geschafft, sondern zwei, drei Jahre gebraucht. Denn man will normalerweise nicht jeden Tag um sechs Uhr aufwachen, um all diese schmerzhaften Behandlungen über sich ergehen zu lassen. Anstatt also zu sagen, dass man sich morgen ausruht und alles verschiebt, tut man einfach, was man kann. Ich habe wirklich gepusht. Das hat mir geholfen, das alles so schnell hinzukriegen.
In Österreich haben wir mit Karl Wendlinger einen ähnlichen Fall gehabt, nach seinem Unfall 1994. Und er sagt heute: "Vielleicht bin ich zu früh zurückgekehrt."
Klar, bei ihm war die Zeit wirklich kurz. Ich wäre nach einem halben Jahr nie bereit gewesen. Ich glaube nicht, dass ich es übertrieben habe, denn ich war nie unter Druck. Ich war der einzige, der mich unter Druck gesetzt hat, von Honda kam kein Druck. Es hat immer geheißen, dass ich das Gefühl haben muss, bereit dafür zu sein. Ich hatte also viel Zeit, um darüber nachzudenken. Ich habe es auf meine Art und Weise gemacht. Es gab Ärzte, die gesagt haben, dass alles in sehr kurzer Zeit passiert ist, aber ich habe es gemacht, also ich mich bereit fühlte. Bei Karl ging es um die Formel 1 - und da bleibt nicht viel Zeit. Ich finde, dass ich es schnell gemacht habe, aber nicht übereilt.