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GERALD ENZINGER ÜBER AUDI UND SAUBER

GERALD ENZINGER ÜBER AUDI UND SAUBER

Sauber: Das wichtigste Team der Formel 1?

Audi kommt in die Formel 1! Und das nun fix mit – Sauber! Man könnte – etwas überschwänglich formuliert – sagen, der Schweizer Rennstall ist das wichtigste Team der Formel-1-Moderne. Die Serienweltmeister Red Bull und Mercedes, BMW, Alfa, nun Audi – dazu Fahrer von Charles Leclerc über Indy-Sieger Marcus Ericsson bis hin zu Formel-1-Legende Michael Schumacher, der Ikone Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel: Sie alle haben ihre Formel-1-Karriere bei Sauber begonnen. Eine Würdigung, für ein Team, das die Formel 1 mehr prägte, als uns allen klar ist.
Ein Pionier aus der Schweiz prägt und verändert die Formel 1.
Wieder einmal.
Seit heute ist es offiziell: Wenn Audi 2026 zum ersten Mal in der Geschichte in die Formel 1 kommt, dann – wie erwartet – mit Sauber. Audi wird einen Anteil (vermutlich 75 Prozent) an der Sauber Group übernehmen. Damit wird der Schweizer Traditionsrennstall ab 2026 als Audi-Werksteam starten und eine von Audi entwickelte Antriebseinheit in der Königsklasse des Motorsports einsetzen.
Während die Antriebseinheit im Motorsport-Kompetenzzentrum von Audi in Neuburg an der Donau entsteht, wird Sauber am Standort in Hinwil (Schweiz) das Einsatzfahrzeug entwickeln und fertigen. Sauber wird auch für die Planung und Durchführung der Renneinsätze zuständig sein.
„Wir freuen uns, für unser ambitioniertes Formel-1-Projekt einen derart erfahrenen und kompetenten Partner gewonnen zu haben“, erzählt Oliver Hoffmann, Vorstand für Technische Entwicklung der Audi AG. „Wir kennen die Sauber Group mit ihrem hochmodernen Standort und erfahrenen Team schon von früheren Kooperationen und sind überzeugt, dass wir gemeinsam ein starkes Team bilden werden.“ So nutzte Audi Sport bereits während der erfolgreichen Le-Mans-Epoche und bei der Entwicklung des Class-1-Tourenwagens für die DTM regelmäßig den Hightech-Windkanal der Sauber Group im nur knapp vier Autostunden entfernten Hinwil. Mehr als 120 Mitarbeiter_innen arbeiten bereits an dem Projekt. „Sauber ist ein erstklassiger Partner für den Einsatz der Audi Power Unit“, sagt Adam Baker, Geschäftsführer der Gesellschaft.

Die Entwicklung der Power Unit, die aus Elektromotor, Batterie, Steuerungselektronik und Verbrennungsmotor besteht, läuft am Standort der eigens gegründeten Audi Formula Racing GmbH in Neuburg an der Donau auf vollen Touren. Mehr als 120 Mitarbeiter arbeiten bereits an dem Projekt. Der Zeitplan bis zum ersten Rennen mit Audi-Beteiligung in der Saison 2026 ist ehrgeizig: 2023 soll der Ausbau des Standorts in Neuburg in Bezug auf Personal, Gebäude und technische Infrastruktur weitestgehend stehen. Erste Testfahrten mit der für das 2026er-Reglement entwickelten Power Unit in einem Formel-1-Testauto sind für 2025 geplant.


Die Formel 1 macht mit dem neuen, ab 2026 geltenden Reglement einen großen Schritt Richtung Nachhaltigkeit. Dies war eine wichtige Grundvoraussetzung für Audi, sich für den Einstieg in die Rennserie zu entscheiden. Die Antriebe werden effizienter sein als heute, da der Anteil der elektrischen Leistung stark zunimmt. Der elektrische Antrieb leistet dann annähernd so viel wie der Verbrennungsmotor, der auf 400 kW (544 PS) kommt. Die hocheffizienten 1,6-Liter-Turbomotoren werden mit nachhaltigem synthetischen Kraftstoff angetrieben, der CO2-neutral (nach EU-Norm) ist. Zudem hat sich die Formel 1 zum Ziel gesetzt, als Rennserie bis 2030 CO2-neutral zu sein.


Sauber ist ein Team, das aktuell mit Valtteri Bottas und Guanyu Zhou unter dem Namen Alfa Romeo durchaus erfolgreich in der Formel 1 unterwegs ist – auch wenn man in den vergangenen Monaten etwas an der Dynamik der ersten Saisonhälfte verloren hat.

Doch Sauber ist ein Team, das die Formel 1 in den vergangenen drei Jahrzehnten auf geradezu einzigartige und revolutionäre Art verändert und geprägt hat.
Sie finden, das ist übertrieben?

Dann lassen Sie mich kurz innehalten, wer aller mit und durch Sauber (wieder) in die Formel 1 gekommen ist:

- Serienweltmeister Mercedes: Mercedes hatte sich nach der Katastrophe von Le Mans 1955 für Jahrzehnte aus dem Rundstreckensport zurückgezogen. Erst ein gemeinsames Gruppe-C-Sportwagen-Projekt mit dem damals noch sehr kleinen Schweizer Sauber-Rennstall (Weltmeister 1989 und 1990) und dann speziell auch mit dem sensationellen Junior-Team Karl Wendlinger / Michael Schumacher / Heinz-Harald Frentzen machte Lust auf mehr.
Jahrelang arbeiteten Sauber und Mercedes an einem Einstieg in die Formel 1, als Vorleistung investierte Mercedes in die Formel-1-Karrieren von Schumacher und Wendlinger bei Jordan bzw. Leyton House. Der eigentliche Gedanke: mit einem gemeinsamen Team und diesen beiden als Fahrer in die Formel 1 einsteigen. Am ersten Sauber-Grand-Prix-Boliden stand "concept by Mercedes-Benz", auch wenn der Motor offiziell noch vom Mercedes-Motorenpartner Ilmor kam. Erst 1994 bekannte sich Mercedes auch offiziell zur Formel 1 und zu Sauber, um im Herbst mit fliegenden Fahnen zu McLaren zu wechseln. Mercedes-Sportchef Norbert Haug dachte, nur ein (britisches) Team von der Größe von McLaren könnte den Mercedes-Ansprüchen genügen. Die WM-Titel von Mika Hakkinen 1998 und 1999 gaben ihm Recht. Sauber musste auf Ford wechseln – und schrieb, obwohl nur ein Mittelfeld-Team, gleich wieder Formel-1-Geschichte mit der nächsten Pionier-Tat.

-Serienweltmeister Red Bull: Denn Sauber, nun mit Ford unterwegs, kam mit einem aufstrebenden österreichischen Unternehmer in Kontakt: mit Dietrich Mateschitz, der sich nach einigen beachtlichen Erfolgen mit seiner Energy-Drink-Marke Red Bull und dem Sponsoring von diversen Extremsportlern (und einigen Stars wie Gerhard Berger) nun auf die ganz große Bühne der Formel 1 wagte, als Hauptgeldgeber eines Teams: von Sauber. Damals dachte einige noch, Mateschitz könnte sich damit fast übernehmen – eine schwere Unterschätzung.
Heute ist Red Bull der wichtigste Player in der Formel 1: mit zwei Teams, darunter einem fünffachen Weltmeisterteam, das auch heuer dominiert, und einer spektakulären Formel-1-Rennstrecke in Spielberg.
Nur: Sauber ist nicht dabei. Um die Jahrtausendwende schied man im Streit von Red Bull. Für Red Bull, das in weiterer Folge statt Sauber den britischen Jaguar-Rennstall kaufte, der Auslöser, um Sportgeschichte zu schreiben. Dabei hatte im Streit selbst Teamgründer Peter Sauber alles andere als Unrecht. Er wollte seine Entdeckung Kimi Räikkönen, einen Piloten aus der viertklassigen Formel Renault, in sein Auto setzen – Red Bull aber den Brasilianer Enrique Bernoldi, Absolvent des Red Bull Junior Teams.
Das Ergebnis? Red Bull ging, Räikkönen kam – und begann eine Weltkarriere. Bernoldi verschwand bald. Doch Sauber blieb weiter im Mittelfeld hängen.

Kimi Räikkönen: Das Vertrauen von Peter Sauber wurde schnell belohnt. Von Rennen 1 weg war der wegen seiner Unerfahrenheit umstrittene Kimi schnell und er wurde zum Kultstar. Und zum Weltmeister – das aber freilich bei Ferrari. Davor hatte ihn Sauber, wie schon Jahre früher die Mercedes-Motoren, an McLaren verloren. Immerhin kehrte Kimi, dem Team immer dankbar, am Ende seiner Karriere wieder nach Hinwil zurück.

BMW: Räikkönen wurde in dem Jahr (2007) Weltmeister, in dem Sauber erstmals selbst vom WM-Titel träumen durfte. BMW war neuer Haupteigentümer des Ex-Mercedes-Rennstalls geworden und investierte hunderte Millionen Euro in die Infrastruktur der Fabrik. Doch ehe der für viele erwartbare Titel kam, gab es den überraschenden Ausstieg der Bayern aus der Formel 1, als Folge der Finanzkrise 2008. Peter Sauber kaufte das Team zurück, mit enormen finanziellem Risiko – aber dafür mit einer Fabrik, die dank BMW "State of the Art" war.

Sebastian Vettel: Ein historisch nennenswertes Ereignis der BMW-Ära. Sebastian Vettel debütierte 2007 in Indianapolis in einem BMW-Sauber in der Formel 1, sechs Jahre danach war er vierfacher Weltmeister. Freilich nicht bei Sauber, sondern mit Saubers Ex-Partner Red Bull.

Ferrari: In den Zehner-Jahren wurde das "reprivatisierte" Sauber-Team de facto zum B-Team von Ferrari, kein anderes Team jener Zeit arbeitete so eng mit Maranello zusammen.

Alfa Romeo: Eine Folge der Ferrari-Kooperation? Der damalige FIAT-Boss Sergio Marchionne hatte die Vision, Sauber zu einer Art Werksteam von Alfa Romeo zu machen – und die damals verblasste große Marke so wieder auf die große Bühne der internationalen Wahrnehmung zurückzuholen. Das ist durchaus gelungen.

Charles Leclerc: Das für Sauber beste Kapitel der engen Zusammenarbeit mit Ferrari: Nachwuchsfahrer Charles Leclerc wurde in die Lehre nach Hinwil geschickt. Und dort, trotz anfänglicher Schwächen, so geduldig und gut aufgebaut, dass er schon nach einem Jahr reif war, um zu Ferrari zu wechseln. Wo der Ex-Sauber-Fahrer Leclerc den Ex-Sauber-Fahrer Vettel alt aussehen ließ. Heuer ist er WM-Mitfavorit, einer von so vielen Ex-Sauber-Piloten, die nach ihrer Ausbildung in der Schweiz Weltkarriere gemacht haben. Da wären auch...

... Sergio Perez: Der heutige Verstappen-Wingman bekam einst von Sauber die große Chance (speziell von Monisha Kaltenborn). Dort machte er sich mit einigen legendären Rennen als "Reifenflüsterer" einen Namen.

... Kamui Kobayashi: Der Japaner war der Teamkollege von Perez und, wie dieser selbst sagt „ein Vorbild. Von niemanden habe ich mehr über Reifen-Management gelernt als von Kamui." Dessen Renn-Intelligenz zahlte sich bis heute aus: Kobayashi ist Le-Mans-Sieger, WEC-Weltmeister und „fahrender" Teamchef von Toyota.

...Marcus Ericsson: Der Schwede stand in der Formel 1 bei Sauber im Schatten von Leclerc – doch auch er schrieb inzwischen Motorsportgeschichte: Er ist aktueller Sieger der legendären Indy 500.

... Michael Schumacher:  Und am Ende dieses beeindruckenden Sauber-Kreislaufs durch die Weltgeschichte der Formel 1, die von einem Schweizer Team geprägt wurde, kehren wir noch einmal zum siebenfachen Weltmeister zurück. Ein Mann, der seine Lehrjahre in seiner Sportwagen-Zeit bei Sauber-Mercedes hatte, dort enorm viel gelernt hat.

Man könnte an dieser Stelle noch erwähnen, dass neben Red Bull auch noch der Langzeit-Sponsor von Serien-Weltmeister Mercedes, Petronas, über Sauber in die Formel 1 gekommen ist.
Und F1-Siegpiloten wie Felipe Massa, Heinz-Harald Frentzen oder Robert Kubica ebenfalls in Hinwil begannen. Letzterer war übrigens der bislang einzige (!), der je mit einem bei Sauber erzeugten Formel-1-Auto einen Grand Prix gewonnen hat, 2008 in Montreal.

Wahrscheinlich, dass ab 2026 zahlreiche F1-Sieger Made in Switzerland dazukommen. Falls der Deal mit Audi zustandekommt. Experten vermuten, dass die Ingolstädter ab 2023 in drei Tranchen die Mehrheit am Rennstall übernehmen werden.

Und die Zeit reif ist für das nächste aufregende Kapitel dieses Teams, das 1970 von Peter Sauber gegründet wurde. Und dessen Beurteilungs-Wort im Namen geschrieben steht: Sauber.
Eine saubere Leistung, ab 2026 im Zeichen der vier Ringe.

Dann wird man sich die Story wieder erzählen, vom kleinen Sauber-Team, das mit Mercedes in die Formel 1 kam, von BMW aufgerüstet wurde, um am Ende das Werksteam von Audi zu sein – während man dazwischen noch Red Bull und Petronas in die Formel 1 brachte.

Anmerkung: Das ist eine aktualisierte und verlängerte Version eines Kommentars, der am 26. August 2022 zum ersten Mal auf motorprofis.at veröffentlicht wurde.

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