MARKO-KANDIDAT ALEX DUNNE
Fall Marko: Das ist Alex Dunne
Mit Lando Norris gibt es einen neuen Weltmeister, der erste Pilot, der beim letzten Rennen des vergangenen Jahrtausends noch nicht geboren war.
In Abu Dhabi wird noch einmal getestet.
Und rund um das österreichische Erfolgsteam Red Bull Racing kursieren Spekulationen und Schlagzeilen, die das Team für immer verändern können – auf durchaus dramatische Weise.
Denn Dr. Helmut Marko, der dieses Team einst im Auftrag von Dietrich Mateschitz von der ersten Minute weg angedacht und aufgebaut hat, der mit dem von ihm geförderten Sebastian Vettel und dem von ihm blitzschnell geholten Max Verstappen bislang 14 WM-Titel für Red Bull sichern konnte, ist auf der Zielgeraden seiner Red-Bull-Ära.
Laut verschiedensten Quellen soll sein bis Ende 2026 laufender Vertrag mit Jahresende 2025 beendet werden. Und das obwohl Red Bull Racing seit dem von Marko wohl "mitgeförderten" Rauswurf von Christian Horner im Juli ein beeindruckendes Comeback gegeben hat, und Max Verstappen am Ende die WM nur um zwei Punkte verpasst hat. Ein Gerücht, dass am Dienstag Nachmittag Fakt wurde. In einem Statement betont Red Bull, dass Marko von sich aus das Team verlassen werde.
Helmut Marko: "Ich bin nun seit sechs Jahrzehnten im Motorsport tätig, und die vergangenen mehr als 20 Jahre bei Red Bull waren eine aussergewöhnliche und äusserst erfolgreiche Reise. Es war eine wunderbare Zeit, die ich mitgestalten und mit so vielen talentierten Menschen teilen durfte. Alles, was wir gemeinsam aufgebaut und erreicht haben, erfüllt mich mit Stolz. Das knappe Verpassen der Weltmeisterschaft in dieser Saison hat mich sehr bewegt und mir klar gemacht, dass für mich persönlich nun der richtige Moment gekommen ist, dieses sehr lange, intensive und erfolgreiche Kapitel zu beenden."
Oliver Mintzlaff dazu: "Ich bedaure seinen Abgang zutiefst. Sein Gespür für aussergewöhnliche Talente hat nicht nur unseren Nachwuchsbereich geprägt, sondern die gesamte Formel 1 nachhaltig beeinflusst. Namen wie Sebastian Vettel und Max Verstappen stehen stellvertretend für die vielen Fahrer, die unter seiner Führung entdeckt, gefördert und bis an die Weltspitze begleitet wurden. Seine Leidenschaft, sein Mut zu klaren Entscheidungen und sein unverwechselbarer Blick für Potenziale bleiben unvergesslich."
Freilich: Der Abschied, ob nun freiwillig oder nur teilweise freiweillig, wäre wohl nur bei einem WM-Titel leicht(er) erfolgt. So bleiben offene Fragen.
Was ist genau passiert, abgesehen davon, dass der Grazer im Laufe seiner Dienstzeit in der Formel 1 nicht nur viele Ehren einheimste, sondern auch viele Feinde? Wieso kommt der Bruch gerade jetzt?
Der erste Gedanke war bei vielen die Aufregung, die Marko vor zehn Tagen verursacht hatte, als er – im Unwissen, aber halt auch ohne sich alle Bilder davor angesehen zu haben – behauptete, Kimi Antonelli habe in der Schlussrunde Lando Norris absichtlich vorbei gelassen, um dem ebenfalls von Mercedes motorisierten Engländer zwei Punkte im WM-Kampf zu schenken.
Eine für den Logiker Marko unlogische Aussage: Warum sollte Mercedes so viel Interesse daran haben, dass das Kundenteam als Weltmeister dem Werksteam die Show stiehlt? Und warum würde Antonelli seinem engen Freund und Förderer Max Verstappen so hintergehen?
Auch wenn, so ehrlich muss man sein, die Aussage von Marko nur so dahingesagt war, waren die Folgen in der Algorithmus-getriebenen neuen Welt von Social Media fatal – Markos Statement ging – wie immer stark zugespitzt – viral, der 19-jährige Antonelli wurde dem Internet-Mob zum Fraß vorgeworfen.
Obwohl die Kamera-Bilder längst gezeigt hatten, dass er nur einen Fehler gemacht hatte und er Norris definitiv nicht freiwillig Platz gemacht hatte.
Dass Red Bull schon Stunden später sich für Markos Aussagen entschuldigte, war richtig und unumgänglich – trotzdem spürte man da zwischen den Zeilen auch bereits die zunehmende Entfremdung zwischen der aktuellen Konzern-Führung und dem Grazer, der rund zweieinhalb Jahrzehnte lang der engste und mächtigste Motorsport-Berater von Firmengründer Dietrich Mateschitz gewesen war.
Es dauerte bis Sonntag Abend, bis aber erstmals konkrete Gerüchte die Runde machten, dass Marko 2026 nicht mehr (oder zumindest nicht mehr in seiner langjährigen Position) in der Red-Bull-Box sein wird. Aber würde nach den durchaus umstrittenen Aussagen Markos in all den Dekaden der Fall Antonelli plötzlich der auslösende Grund sein? Offensichtlich nicht.
In den Blickpunkt der Aufmerksamkeit rückt plötzlich der irische Rennfahrer Alex Dunne – und die Ereignisse, die sich rund um den Zeitraum von Mitte September bis Mitte Oktober zugetragen haben.
Die Kurzzusammenfassung diverser Geschichten, die in den Niederlanden und England aufgetaucht sind und glaubwürdig klingen: Marko (ein Mann schneller Entscheidungen, Anm.) habe den McLaren-Jungstar Alex Dunne dazu überredet, seinen Vertrag im McLaren-Junior-Programm aufzulösen und ihn für Red Bull engagiert.
Dies sei aber ohne Rücksprache, zumindest aber ohne Einwilligung der Red-Bull-Konzernführung passiert. Denn die war wohl der Meinung, dass man genug selbst teuer aufgebaute Talente im eigenen Junior-Programm habe, um Dunne jetzt nicht auch noch zu benötigen.
Marko wurde am 3. Oktober damit zitiert, dass "Dunne für Red Bull interessant" sei, und am 16. Oktober in der Kleinen Zeitung mit dem Satz "Alex Dunne ist kein Thema für Red Bull".
Was ist dazwischen passiert?
Verschiedene Quellen sagen, dass Red Bull den von Marko unterschriebenen Vertrag wieder gekündigt habe – und man dafür Dunne einen satten sechstelligen Euro-Betrag als Abfertigung zahlen habe müssen.
Was für Red-Bull-Sport-Boss Oliver Mintzlaff der finale Grund gewesen sein soll, die Ära Marko mit Saisonende zu beenden und den Steirer durch neue Kräfte zu ersetzen.
Eine nicht gänzlich unerwartete Entscheidung, zumal der 82-jährige Marko selbst schon von einem nahen Karriere-Ende in der Formel 1 gesprochen hatte.
Eine Entscheidung aber, die auch ein großes Risiko birgt: Superstar Max Verstappen ist äußerst loyal zu seinem Förderer Marko, 2024 hatte er im Machtkampf Markos mit Christian Horner unmissverständlich klargestellt, dass es ohne Marko auch keinen Max bei Red Bull gäbe.
Verbunden mit der Gefahr, dass Red Bull Racing wegen des eigenen Antriebsystems 2026 nicht Titel-fähig sein könnte, besteht das Risko, dass Verstappen spätestens dann Red Bull verlässt, um zu einem anderen Team zu gehen oder um seine Formel-1-Karriere ganz zu beenden. Seine Vorfreude auf die neue Regel-Generation hält sich sowieso in Grenzen.
Die Folgen könnten also epochal sein, zumal Red Bull bereits viele andere Leader des Wunderteams verloren hat: Adrian Newey, Jonathan Wheatley, Rob Marshall, Christian Horner.
Wer aber ist dieser Alex Dunne, der höchst unfreiwillig in den Strom der Formel-1-Geschichte gerissen wurde?
Ein Riesen-Talent, keine Frage. Ein Pilot, dessen Karriere am 28. November sogar Thema im irischen Parlament war. John Clendennen, Abgeordneter von Dunnes Heimatprovinz Offaly, ergriff das Wort. Er plädierte dafür, Dunne zusätzliche Fördermittel von Sport Irland und Motorsport Irland zu gewähren, also ihn mit staatlichen Mitteln zu unterstützen.
Steuergeld für eine Formel-1-Karriere? „Dunne ist ein Jahrhunderttalent und Irlands beste Chance, endlich wieder einen Formel 1 Piloten zu stellen. Aber momentan stehen kaum staatliche Fördermöglichkeiten zur Verfügung, was ihn wieder in der Versenkung verschwinden lassen könnte,“ appelliert Clendennen. Interessanterweise verwies man dann auf die große Karriere von Eddie Irvine, der 1999 im Ferrari Vizeweltmeister geworden ist, der aber als Nordire formal natürlich für Großbritannien angetreten ist. Für Irland selbst fuhren nur vier Piloten – am längsten Derek Daly (49 GP), als Letzter Ralph Firman (2003).
Dunne wurde heuer Fünfter in der Formel-2-Gesamtwertung, er brillierte vor allem als Sieger in Bahrain und Imola und als Pole-Setter in Monaco, wo er aber dann als Verursacher eines schweren Start-Crashs seinen Ruf als Crash-Pilot ausbauen "konnte". Bis Ende September, als er überraschend kündigte, war er die Nummer 1 im McLaren-Förderprogramm. Als Ersatzfahrer hing er gerne mal mit Oscar Piastri rum, am Red Bull Ring debütierte er sehr souverän in seinem ersten freien Formel-1-Training. Wohl ein Mitgrund, warum Marko so beeindruckt ist.
Dunne ist im November 2005 geboren, in der britischen Formel 4 gewann er die Meisterschaft, in der italienischen matchte er sich mit einem gewissen Kimi Antonelli, hinter dem er Vize-Champion wurde. In der Formel 3 war er unter anderen Teamkollege von Red-Bull-Junior Tim Tramnitz. Auch Ferrari zeigte sich lose interessiert an ihm, am Ende wurde er aber eben McLaren-Junior mit einem eindeutigen Ruf: sauschnell, aber in manchen Zweikämpfen zu rücksichtslos. Ein Mix, der Helmut Marko immer schon gefallen hat.
Dunne hat auch bereits einen Formel-E-Test absolviert, bei der Unterzeichnung seines nur kurz dauernden Vertrages mit Red Bull dürfte er darauf gehofft haben, 2026 bei den Racing Bulls Formel 1 fahren zu dürfen, an der Seite von Alex Lindblad, der fast zeitgleich intern bei Red Bull als Fahrer bestätigt worden war. Dunne konnte aber noch damit spekulieren, den Platz von Liam Lawson zu bekommen – ob berechtigt, oder nicht, wissen wir nicht.
Was wir aber wissen: Red Bull Racing wird ohne Helmut Marko ein anderes Team sein, als wir es 20 Jahre lang erlebt haben. Und Laurent Mekies, der unbestreitbar tolle Arbeit leistet, könnte der Sieger im Machtkampf Marko vs. Horner werden.
Dunne selbst hofft derzeit, nun in das Förderprogramm von Alpine zu kommen. Zudem wurde eben bekannt, dass er die Formel 2 auch 2026 für Rodin bestreiten wird. Ob das Geld, dass er dort einzahlen muss, zum Teil von seinem kurzen Red-Bull-Abenteuer kommt, ist unbekannt. Er freut sich und rechnet damit, um den Titel mitkämpfen zu können: "Ich habe eine großartige Verbindung zu Rodin aufgebaut."
Wie groß der unfreiwillige Anteil von Dunne und seinem Vertrag an der Entfremdung zwischem Mintzlaff und Marko war, das wissen nur die beiden. Fest steht aber, dass Red Bull nach dem Tod von Dietrich Mateschitz einen Kulturwechsel erlebt. Selbst wenn Marko Dunne ohne Absegnung mit Red Bull geholt haben mag, kann man das verstehen – den potenziellen Jahrhundertrennfahrer Max Verstappen hat Marko nicht zuletzt deshalb bekommen, weil er dank seiner Handschlags-Beziehung zu Mateschitz schnell handeln konnte, schneller als klassische Konzern-Teams wie Mercedes oder Ferrari. Das war auch immer die Stärke von Red Bull, diese Flexibiliät. Es liegt aber im Lauf der Geschichte, dass man angesichts der Größe des Imperiums nach dem Tod des Gründers strukturierter aufgestellt sein muss. Und so haben sich die Wege von Red Bull und Marko nun getrennt, ohne das auch nur eine der beiden Seiten was dramatisch falsch gemacht hat. Red Bull Racing wird nie mehr so sein wie in den ersten 20 Jahren und man kann gespannt sein, in welche Richtung sich der Rennstall "in zweiter Generation" weiterentwickelt.
(Anm: Text wird laufend aktualisiert)
Alex Dunne wurde dieser Tage als Rodin-Pilot für 2026 präsentiert. Seine Unterschrift dürfte er davor aber erst einmal bei Helmut Marko gesetzt haben. 2025 verzeichnete er in der Formel 2 als Rookie zwei Pole positions, acht Podien, zwei Siege.
In der Formel 2 konnte Dunne heuer einige Erfolge verbuchen.
In Irland ist Dunne so ein Hoffnungsträger, das sogar im Parlament aktuell darüber diskutiert wird, seine Karriere mit Steuergeldern zu subventionieren. Bis zu seinem Crash in Monaco hatte er die Formel 2 heuer angeführt.









