WALTER RÖHRL UND SEIN WELTMEISTER-OPEL
Röhrls erste Liebe: Opel
Mein Gott, Walter! Walter Röhrl hat im Rallyesport Geschichten geschrieben wie kein anderer. Sein Lebenswerk wird nicht in WM-Titeln (2) gemessen, sondern in Momenten für die Ewigkeit. Und in der Zahl der Verehrer, und in deren Kompetenz. Sebastian Vettel gewann 2011 den Grand Prix von Australien in Melbourne und sein erster Satz in der Pressekonferenz lautete so: "Heute war ein großer Tag für mich. Denn ich habe Walter Röhrl kennengelernt. Und das Rennen habe ich auch gewonnen." Vettel, der Röhrl an dem Tag um ein gemeinsames Selfie bat, liebt Röhrl, die Geschichten über ihn und die legendären Filme, die meist von Helmut Deimel gedreht wurden.
Röhrl ist eine Legende bei bei Audi, bei FIAT, bei Lancia, bei Porsche, ganz besonders aber auch bei seiner "ersten Liebe", bei Opel.
Opel und Rallyesport – das ist eine Verbindung mit Geschichte. Denn was heute mit dem vollelektrischen Corsa-e Rally beim ADAC Opel e-Rally Cup ums Eck driftet, begeisterte bereits in den 1970er und 1980er Jahren mit legendären Opel-Rallyewagen und -Fahrern. Nach Erfolgen mit dem Kadett GT/E und Ascona A dann der Höhepunkt in der Saison 1982.
Mit dem hinterradangetriebenen Opel Ascona 400 holt Walter Röhrl den Weltmeistertitel gegen bärenstarke Konkurrenz mit Allradantrieb. Bei allen herausragenden Leistungen der damaligen Techniker brauchte es dazu diesen ganz besonderen Piloten, der den Titeltraum wahrmachen konnte. Und zwar schlichtweg den besten seiner Zunft: Walter Röhrl – ein Ausnahmefahrer, ein bayrisches Urgestein, der nun, genau 40 Jahre nach seinen Erfolgen auf dem Opel Ascona 400, ebenfalls ein großes Jubiläum feiern kann: Am 7. März 2022 wird der „Taktiker und Kämpfer, der nervenstarke Stratege, wie ihn seine Fans schätzen und seine Gegner fürchten“ – und wie Röhrl in „Die Opel Rallye Story“ charakterisiert wird – 75!
Für motorprofis.at ist der Geburtstag von Walter Röhrl, der einst mit dem motorprofis-Reporter als Co-Piloten die Rallye Monte Carlo bestritt, ein wichtiger Anlass, um vom Leben des Genies in mehreren Geschichten zu erzählen. Beginnen wir mit seiner ersten Liebe im Rallyesport, mit Opel. Mit dieser Marke hat Röhrl die ersten internationalen Jahre seiner Karriere bestritten – und 1982 seinen letzten WM-Titel gewonnen. Ein Blick in den Rückspiegel.
Die 1970er: Opel und Röhrl feiern erste Rallye-Erfolge.
1947 in Regensburg geboren, steht für Walter Röhrl früh der Sport im Mittelpunkt: Fußball, Rudern, Skifahren – und schließlich Motorsport. Dabei entscheidet sich der junge Bayer für „Rallye statt Rundstrecke“. Bereits ab 1973 fährt der damals 26-Jährige für Opel. Und mit Jochen Berger als Co-Piloten an seiner Seite holt das Team schon ein Jahr später den Rallye-Europameistertitel. Das Siegerauto: ein Werks-Opel Ascona A.
Im folgenden Jahr erringt Röhrl dann den ersten Sieg in einem Rallye-Weltmeisterschaftslauf für sich und für Opel. Doch 1977 trennen sich zunächst die Wege des jungen Ausnahmefahrers und der Marke mit dem Blitz. Zu diesem Zeitpunkt ahnt noch niemand, dass der größte gemeinsame sportliche Triumpf noch bevorsteht. Und zwar 1982, als Röhrl wieder zu Opel heimkehrt.
Sieg bei der „Jubiläums“-Rallye Monte Carlo 1982: WM-Auftakt nach Maß. Während Jochen Berger nun Teammanager der Opel-Motorsport-Abteilung ist, trägt zum Gelingen der damaligen „Mission Monte Carlo“ entscheidend auch sein neuer Beifahrer Christian Geistdörfer bei. Und der Opel Ascona B 400.
Das Opel-Ingenieursteam unter Cheftechniker Karl-Heinz Goldstein hat dem Duo Röhrl/Geistdörfer einen Rallyewagen konstruiert, der als eines der zuverlässigsten Motorsportgeräte gilt. Der bis zu 191 kW/260 PS starke Hecktriebler (weitere Infos zum Fahrzeug weiter unten) ist für den Driftkünstler genau das richtige Fahrzeug, um sein Können bei der 50. Ausgabe der Rallye Monte Carlo gegen die allradgetriebenen Audi quattro unter Beweis zu stellen.
Wie das Gespann aus ausgereiftem Fahrzeug und zu allem entschlossenen Piloten funktionierte, beschreibt Karl-Heinz Goldstein in Röhrls Biografie „Aufschrieb“ so:
„Vor der letzten Nacht hatte er nur 31 Sekunden Vorsprung vor Hannu (Mikkola auf Audi). Dann hat Walter sich den Col de Madonne als Punkt ausgesucht, wo er die Rallye entscheiden wollte und den ganzen Tag dort geübt. In dieser Nacht setzte er alles auf eine Karte. Er fuhr den Madonne am äußersten Limit. Dort hat er Hannus Kampfgeist gebrochen.“ Röhrl gewinnt damit zum zweiten Mal die legendäre Rallye Monte Carlo – und zum ersten Mal mit Opel. Ein Auftakt nach Maß für die Rallye-Saison 1982.
Rallye Elfenbeinküste: Spannung bis zum Schluss. Die Rallye-Weltmeisterschaft 1982 entwickelt sich in den folgenden Läufen zu einem wahren Krimi, der vielen noch heute im Gedächtnis ist. Das Duell lautet dabei Walter Röhrl auf Opel Ascona 400 gegen Michèle Mouton im Audi quattro. Während die allradgetriebenen Rallye-Fahrzeuge auf Schnee, Kies und unbefestigten Strecken im Vorteil sind, wartet Röhrl als nervenstarker Stratege die richtigen Momente ab, um mit seinem Opel zu punkten.
Die Rechnung geht auf. So entscheidet das vorletzte Rennen der Saison, die 5.000 Kilometer lange – und bei Walter Röhrl nicht sonderlich beliebte – Rallye Elfenbeinküste, die Fahrer-Weltmeisterschaft.
Während der Opel Ascona 400 wie ein Uhrwerk läuft und jeden harten Schlag wegsteckt, zeichnen sich die Wettbewerber weniger durch Verlässlichkeit aus. Oder wie Klaus Buhlmann in „Die Opel Rallye Story“ kommentiert: „Das Resultat dieser Weltmeisterschaft erschien indes gerecht: Opel verbuchte zwei, Audi hingegen sieben WM-Siege. Während Mikkola und Mouton jedoch oft spektakulär ausfielen, punktete Röhrl mit der Verlässlichkeit eines Computers. Allein seine ‚Bilanz des Ankommens auf hervorragenden Rängen‘ ist in der Geschichte dieses Sports einmalig und verdient höchste Anerkennung. Sicher ein Erfolg eines ungewöhnlichen Fahrers, bestimmt aber auch der Verdienst eines guten Teams, das mit dem Opel Ascona 400 das wohl zuverlässigste Rallyeauto dieser Epoche einsetzte!“
Mit dieser einzigartigen Kombination konnten sich Opel und Röhrl/Geistdörfer erfolgreich gegen die allradgetriebenen Audi quattro durchsetzen und gemeinsam den Fahrer-Weltmeistertitel mit 109 Punkten uneinholbar sichern. Das Trainingsfahrzeug der Beiden bereichert noch heute die umfangreiche historische Sammlung von Opel Classic.
Meinungsstark, fokussiert, erfolgreich: Der Charakterkopf Walter Röhrl.
Röhrl ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Ihm ging es stets darum zu beweisen, dass er der beste Rallyefahrer der Welt war und „in jedem Auto gewinnen kann“ – was ihm mit dem Opel Ascona 400 als Fahrmaschine eindrucksvoll gelungen ist. Dass er, während sich andere Fahrer in den Serviceparks miteinander unterhielten, oft in seinem Auto sitzen blieb und die Hinweise im „Gebetbuch“ für den nächsten Streckenabschnitt studierte, ist dabei weniger seiner Zurückhaltung als vielmehr seinem Perfektionismus geschuldet.
Mit diesem Perfektionismus wurde Walter zur Legende – auch und gerade bei Opel.
Das Rallye-Weltmeisterauto 1982: Opel Ascona 400 Gruppe 4
Karosserie: Zweitürige Ausführung, Überrollkäfig und Unterbodenschutz integriert; Motorhaube aus Glasfiber; Spoiler vorn, seitlich und auf Kofferdeckel; Wind-Splits
Motor: Vierzylinder-Benziner, Bohrung 95 mm, Hub 85 mm, Hubraum 2.420 cm3; zwei obenliegende Nockenwellen, Aluminium-Querstrom-Zylinderkopf mit 16 Ventilen; zwei Weber Doppel-Vergaser. Vier-in-eins-Auspuffanlage; elektronische Zündanlage (Bosch); Trockensumpfschmierung
Leistung: Bis zu 191 kW/260 PS bei 7.000 min-1,max. Drehmoment 280 Nm bei 5.500 min-1
Kraftübertragung: Getrag-Fünfganggetriebe, Einscheibenkupplung, Sperrdifferential. Hinterachsübersetzungen 3,18:1 bis 5,3:1
Höchstgeschwindigkeit: Bis zu 225 km/h (je nach Achsübersetzung)
Vorderradaufhängung: Doppelquerlenker, Schraubenfedern, Stabilisator, Bilstein-Gasdruck-Stoßdämpfer
Hinterradaufhängung: Fünflenker-Achse, Schraubenfedern, Bilstein-Gasdruck-Stoßdämpfer
Bremssystem: Zweikreisanlage mit belüfteten Scheiben rundum; Bremskraftverteilung vom Fahrer regelbar;Durchmesser vordere Scheiben 290 mm, hintere Scheiben 278 mm; hydraulisch wirkende Handbremse
Lenkung: Zahnstangenlenkung mit direkter Auslegung
Räder: Opel-Leichtmetallfelgen 15 Zoll; Michelin-Wettbewerbsreifen mit 5 bis 10 Zoll Breite, je nach Einsatzbedingungen
Elektrische Anlage: 12-Volt-System mit Hochleistungsgenerator
Interieur: Recaro-Sitze, umfangreiche Instrumentierung inkl. elektronischer Wegstreckenzähler, Sechspunkt-Sicherheitsgurte, Feuerlöschsystem. Sicherheitstank, im Kofferraum montiert
Gewicht: Rund 1.050 kg, einsatzfertig, ohne Besatzung